Magisterarbeit - Kapitel 3
 Magisterarbeit:
 Wechselbeziehung zwischen Kulturgeographie und Internet
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Kapitel 3
Die Zusammenhänge von Kulturgeographie und Internet


Im vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, dass die Dienste des Internet in immer weiteren Bereichen des täglichen Lebens Anwendung finden, und dass eine größer werdende Zahl von Benutzern dieser Dienste zu verzeichnen ist. Das allein ist eigentlich schon Grund genug, sich die Frage zu stellen, welchen Einfluss diese Entwicklung auf die Disziplin der Geographie ausübt und in welchen Bereichen eine Neuorientierung vonnöten sein könnte. Aufgrund der geringen Zahl vorhandener Arbeiten, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, soll diese Fragestellung recht detailliert verfolgt werden. In einem ersten Schritt werden begriffliche Parallelen zwischen dem Internet und der Geographie gezogen. Im Anschluss daran wird der Bedeutungswandel des allgemeinen und des geographischen Raumbegriffs im Laufe der Zeit verfolgt, um damit die Grundlage für eine Eingliederung des virtuellen Raumbegriffs des Internet in diese Entwicklung zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Definition der Geographie im Wandel der Zeit zu klären sein. Am Ende soll eine Antwort auf die Frage gegeben werden können, welche Position eine kulturgeographische Beschäftigung mit dem Internet innerhalb der Disziplin einnehmen kann, bzw. welche Themen in das Betätigungsfeld einer eigenständigen Cybergeographie  fallen können.

Die Metaphorik der Entdeckungs- und Forschungsreisen


Blickt man in die Zeit zurück, als von der Kulturgeographie im Speziellen noch keine Rede war und die Aufgabe des Geographen vorwiegend darin bestand, unbekannte Teile der Erde zu erkunden und dieses Wissen für andere nutzbar zu machen (in der wörtlichen Übersetzung von Geograph als der die Erde Beschreibende), findet man Wortschöpfungen und Verhaltensweisen, die sich später im Zusammenhang mit dem Internet wiederfinden. Verstärkt treten diese Parallelen im Hinblick auf die europäischen Eroberungsreisen im ausgehenden Mittelalter und die Forschungsreisen des 18. und 19. Jahrhunderts zu Tage.
Im religiös dominierten Mittelalter erlebte die geographische Forschung in Europa einen herben Rückschlag im Vergleich zur wissenschaftlichen Blüte in der Antike. Erst gegen Ende des Mittelalters, mit dem Übergang zur Renaissance und der Abkehr von der Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe, konnte sich die Wissenschaft aus den Zwängen der Religion lösen. Zur gleichen Zeit brach die Ära der Seefahrer und Eroberer an, die durch ihre eigentlich politische Mission zur Erschließung bisher unbekannter Teile der Erde beitrugen und somit von Grunde auf geographisch tätig waren. Die Erforschung neuer Territorien fand ihr Ende, als weite Gebiete der Erdoberfläche erschlossen und den europäischen Herrschern unterworfen waren.
Die moderne Geographie beginnt mit den Forschungsreisen Alexander von Humboldts. Mit seiner 1799 beginnenden Amerika-Reise, wurde er zum Vorbild für viele ihm nachfolgende Forscher. Ziel dieser Reisen war nicht mehr, territoriale Besitzansprüche geltend zu machen, sondern die Eigenheiten der bis dato fremden Länder zu ergründen, sie in ihrer Vielfalt zu erfassen und zu natürlichen Einheiten zusammenzufassen (HETTNER, 1927). Nach der Zeit der Eroberungsreisen war nun die Zeit der Forschungsreisen angebrochen und mit ihr eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den neu erschlossenen Gebieten.
Betrachten wir diese von Grund auf unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Entdeckung einer neuen Welt etwas genauer. Wie in der Einleitung schon kurz erwähnt, finden sich zwischen diesen frühen geographischen Forschungstätigkeiten und dem Internet bereits auf der sprachlichen Ebene Parallelen, wie das Beispiel der beiden momentan am häufigsten genutzten Browser, dem Netscape Navigator  und dem Internet Explorer  zeigt. Was mag die Schöpfer dieser Software bewogen haben, sich des Vokabulars der Schiffs- bzw. Entdeckungsreisen zu bedienen? Im speziellen Fall der Benennung der Webbrowser fühlten sich die Autoren beim Navigieren im WWW eventuell an Christoph Kolumbus erinnert, der bei seiner Suche nach der Ostindischen Küste unfreiwillig auf Amerika stieß, denn ähnlich geht es vielen Surfern  bei der Erkundung des Internet: Das Interesse ist auf ein konkretes Ziel gerichtet, der Weg ist zu Beginn jedoch unbekannt. Hat man nicht das Glück, über einen direkten link  dorthin zu gelangen, muss der Umweg über einen Verzeichnisdienst oder eine dem Ziel naheliegende Webseite gewählt werden. Auf diese Weise passiert es leicht, dass die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Ziel abgelenkt wird, weil man auf einen anderen interessanten Inhalt stößt (was für einen Entdecker nicht immer von Nachteil sein muss, wie das Beispiel Kolumbus zeigt). Tatsache ist, dass beim Erkunden des Internet ähnliche Unwegsamkeiten und Orientierungsschwierigkeiten bestehen, wie sie einst von den Entdeckern der Neuen Welt vorgefunden wurden. Erst mit der Verbesserung der Navigationstechnik konnten Orte gezielt angesteuert werden. Auch im Internet wird der Benutzer nur noch so lange auf Abwege geraten, wie es für ihn unentdeckte Inhalte gibt und Informationen von Suchmaschinen nur partiell aufgefunden werden können. Erst wenn eine Systematik vorhanden ist, die alle Informationen gezielt zugänglich macht, wird man auf ein zufälliges Auffinden von Inhalten nicht mehr angewiesen sein. Entwickelt sich die Masse der Internetinhalte in bisheriger Form weiter, besteht in absehbarer Zeit allerdings kaum eine Gefahr, dass das Entdeckungspotenzial in dieser Hinsicht gemindert wird.
Sind im realen Leben die Eroberungsreisen den Forschungsreisen vorausgegangen, scheint es im Internet genau umgekehrt zu sein. Bringt man den Sinn und Zweck der Eroberungsreisen auf den Nenner, dass bisher unbekannte Gebiete der Erdoberfläche entdeckt und von der entdeckenden Nation in Besitz genommen werden, kann man dieses Bild auf die Besetzung von Domain-Namen im Internet übertragen. Nebenbei bemerkt begegnet uns auch hier wieder ein Begriff, der im herkömmlichen Sinn für die Beschreibung einer räumlichen Einheit herangezogen wird (Domain in der Bedeutung von Gebiet, im Zusammenhang mit dem Internet auch in der Form Domain Space  als Namensraum übersetzt). Domain-Namen sind, wie bereits geschildert, Teile der im alltäglichen Gebrauch verwendeten Internetadressen. Um eine Domain sein Eigen nennen zu können, muss man sie registrieren lassen (für Domains der Top-Level Domain de   geschieht das zum Beispiel bei der DENIC Gesellschaft: http://www.denic.de). Natürlich kamen geschäftstüchtige Leute auf die Idee, populäre Domains (zum Beispiel bekannte Firmennamen) auf ihren Namen registrieren zu lassen, mit dem Gedanken, sie später an Interessenten zu überhöhten Preisen weiterzuverkaufen ( BETTINGER, 1997). Diese als domain grabbing  oder domain squatting   bezeichnete Handlungsweise erinnert in mancher Hinsicht an die Vorgehensweise der europäischen Eroberer, die sich durch den Akt der Besetzung spätere Profite aus natürlichen Ressourcen oder die Vorteile einer strategisch günstigen Lage sichern wollten. Blieb den Menschen in den eroberten Gebieten als einzige Möglichkeit der Gegenwehr der kämpferische Widerstand, der oft in einer Niederlage endete, können sich die heutigen Opfer der Internet-Conquistadores  zum Teil auf national und international geltendes Recht berufen und ihre Ansprüche durchsetzen. Dennoch existieren rechtliche Grauzonen und nicht selten erhalten die Besetzer von Domain-Namen die von ihnen geforderte Geldsumme aufgrund der Tatsache, dass sich die Betroffenen scheuen, rechtliche Schritte einzuleiten.
Warum lassen sich der Abschnitt der historischen Geographie bis zum 19. Jahrhundert und die genannten Aspekte des Internet so gut miteinander vergleichen? Weil beiden gemeinsam ist, dass sie vor einem unbekannten Raum stehen und sich ihnen zwei Handlungsalternativen eröffnen, um dieses neue Territorium  zu erschließen: Entweder die Herangehensweise mit einem wissenschaftlichen Ansatz oder das von der Suche nach den größtmöglichen Profiten gelenkte Vorgehen eines Geschäftsmannes. Verfolgt man diese Dualität weiter, stößt man auf einen Wertekonflikt über Zweck und Folgen des Internet im Allgemeinen. Die einen sehen das Internet als Medium, das die Gleichberechtigung der Menschen fördern kann, andere sehen im Internet eine Abbildung der Realität, die die sozialen Verhältnisse 1:1 widerspiegelt und somit bestehende Ungleichheiten nicht beseitigt (RHEINGOLD, 1993). Gemeinsam ist beiden Positionen, dass sie eine Verbindung und daraus resultierend eine Einflussmöglichkeit des Internet auf die reale Welt sehen. Dieses Verhältnis vom sogenannten virtuellen  Raum  des Internet zum realen Raum soll im nächsten Abschnitt genauer betrachtet werden. Dabei werden zunächst die bisher in der Geographie verwendeten Raumbegriffe dargestellt, um im Anschluss daran die Konzepte des virtuellen Raumes mit den geographischen Ansätzen zu vergleichen.

Vom Naturraum zum virtuellen Raum

Die Geographie als Raumwissenschaft - so umstritten diese Definition in neuerer Zeit auch sein mag, so soll sie dennoch als eine erste Untersuchungsleitlinie dienen, um sich dem Verhältnis von Internet und Kulturgeographie anzunähern, denn wie bereits erwähnt ist der mit dem Internet bzw. der Informatisierung im Allgemeinen entstandene virtuelle Raum ein Verbindungsglied zwischen den beiden Bereichen. Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung des Raumbegriffs in der Geographie vorgestellt, um im Anschluss daran zu erörtern, an welchen Stellen der Begriff des virtuellen Raumes angeknüpft werden kann. Dies soll als Grundlage für die spätere Beantwortung der Frage dienen, ob es eine Geographie des Internet geben kann.
Folgt man der Definition der Disziplin über den Raum, so wird schon beim Blick in ein einfaches Lexikon deutlich, wie vielschichtig der Raumbegriff selbst ist. Bereits Knaurs Lexikon in der Ausgabe von 1956 widmet dem Raum beinahe eine halbe Seite. Laut dieser Definition handelt es sich bei einem Raum in der ursprünglichen Bezeichnung um ein dreidimensionales Ordnungssystem. Im religiösen Sinn wurde der Raum später in der speziellen Ausprägung des Kirchenraumes als begrenzt und von Gott belebt gesehen. Damit stellte er die Repräsentation der göttlichen Ordnung dar. In der Renaissance wurde mit dem Wiedererwachen der Naturwissenschaften die Definition des Raumes säkularisiert. Unter anderem führten Galileis Forschungen über die Physik des Vakuums zu der Annahme, dass der Raum grundsätzlich nicht erfüllt, sondern leer ist. Auch die zeitlich folgenden philosophischen Strömungen formten ihren eigenen Raumbegriff. Zusätzlich wurde zum eigentlichen Begriff des Raumes der Aspekt der Raumwahrnehmung ins Blickfeld gerückt. So wurde der Raum in idealistischer Perspektive zu einer Angelegenheit der individuellen, subjektiven Wahrnehmung, in realistischer Sichtweise dagegen zu einem objektiven Abbild der Wirklichkeit.
Noch heute in Gebrauch ist der Begriff des euklidischen  Raumes, zurückgehend auf den griechischen Mathematiker Euklid. Der Raum wird dabei unter dem Aspekt seiner geometrisch messbaren Ausdehnung gesehen und dient damit der klassischen Naturwissenschaft als Untersuchungsrahmen. Das Gegenstück stellt der nichteuklidische  Raum dar, ein abstrakter Raum, der jenseits der Dreidimensionalität existiert und ein theoretisches Konstrukt ist.
Alle bisherigen Denkmuster ließ Albert Einstein hinter sich, als er mit der Relativitätstheorie das bisher scheinbar konstante Zuordnungssystem von Raum und Zeit relativierte und unter bestimmten Umständen eine Krümmung bzw. eine Verzerrung von Raum und Zeit errechnete. Obwohl dieses Phänom aufgrund der zu geringen Größe des Bezugssystems Erde für den Menschen nicht wahrnehmbar ist, trug Einsteins Theorie zu den gesellschaftlichen Umwälzungen am Anfang des 20. Jahrhunderts bei. Die Aussage alles ist relativ  ist mittlerweile zur Floskel verkommen, 1915 war das Potenzial dieses Gedanken noch in der Lage, den Beginn der Moderne zu markieren.

Geographie und Raumbegriff im 18. und 19. Jahrhundert

Ebenso wie der allgemeine Raumbegriff im Laufe der Zeit einen Wandel erfuhr, veränderte sich auch das Verständnis vom Raum in der Geographie. Bis ins 18. Jahrhundert galt allein der physische Naturraum als Untersuchungsobjekt geographischer Forschung, den es mit naturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen galt. Die Forschungen beschränkten sich dabei häufig auf eine deskriptive Erfassung der materiellen Elemente der Erdoberfläche und die Untersuchung ihrer räumlichen Anordnung (auch als choristische Vorgehensweise bezeichnet). Ausnahmen vom rein beschreibenden Ansatz bildeten Bereiche der Physischen Geographie. Hier wurden schon früh Versuche unternommen, die erfassten Phänomene in ein theoretisches System einzubinden. Ein Beispiel stellen Leonardo da Vincis Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert dar, der zum Beispiel aufgrund von Muschelfunden in Bergregionen Italiens eine Theorie über die einstige Verbreitung der Meere aufstellte (HETTNER, 1927, S. 52).
In dieser Zeit, als die Geographie noch als einheitliche Disziplin gesehen wurde, dominierten im heutigen Sinne physisch-geographische Inhalte und die Länderkunde weite Bereiche der Forschung. Dennoch finden sich erste Ansätze, die für die spätere Ausprägung der Kulturgeographie von Bedeutung sind. Zu nennen ist an dieser Stelle das Werk Immanuel Kants, der sich zwar auf geographischer Ebene ausschließlich mit physisch-geographischen Themen beschäftigt hat, durch sein gleichzeitiges Wirken in den Geisteswissenschaften aber dennoch eine erste Verbindung zwischen diesem Bereich und der Geographie herstellte. Leider kam es in seinen geographischen Arbeiten nicht zu einer Verbindung der beiden Richtungen. Für die spätere Kulturgeographie ist von Bedeutung, dass Kant seine Forschungen in der Physischen Geographie, ganz im Zeichen der Aufklärung, unter das höhere Ziel gestellt sah, die Erkenntnis über den Menschen zu vermehren. Sein Entwurf zu einem Werk über die Physische Geographie enthält folgenden Satz:
Ich trage dieses zuerst in der natürlichen Ordnung der Klassen vor und gehe zuletzt in geographischer Lehrart alle Länder der Erde durch, um die Neigungen der Menschen, die aus dem Himmelsstriche, darin sie leben, herfließen, die Mannichfaltigkeit ihrer Vorurtheile und Denkungsart, in so fern dieses Alles dazu dienen kann, den Menschen näher mit sich selbst bekannt zu machen ..., darzulegen.
(Kant, 1757, Teil II, Zeile 18-30)
Damit war die Voraussetzung für eine Geographie geschaffen, die den Menschen nicht mehr als Element des Naturraumes betrachtete, sondern die ihre gesamte Forschung in den Dienst des Menschen stellte. Infolge dieser Neuorientierung war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Geographie Ansätze entwickelte, die den Menschen selbst noch stärker in die Forschungen miteinbezog. Zwar war es nicht Kant, der diesen disziplinären Wandel letztendlich vollzog, dennoch haben er und die Aufklärung der Geographie den Weg in diese Richtung geebnet.
Neben der Hervorhebung des Faktors Mensch in der wissenschaftlichen Arbeit trug Kant auch dazu bei, die Bedeutung der Geographie als Hochschulwissenschaft neu zu definieren. Grundlage dafür bildete sein Werk Kritik der reinen Vernunft  (KANT, 1787), in dem er die Lehre der Idealität von Zeit und Raum formulierte, die zur Grundlage für seine Analyse der menschlichen Erkenntnis wurde. Das Ziel seiner Forschung war es, die Bedingungen für eine reine Erkenntnis  zu finden - eine Erkenntnis, die ungetrübt von der Subjektivität menschlicher Wahrnehmung zum Fundament einer reinen  Wissenschaft werden sollte. Raum und Zeit bildeten dabei als Formen der reinen Anschauung den Ausgangspunkt für die reine Erkenntnis. Für Kant waren sie deshalb Formen der reinen Anschauung, weil er sie nicht der sinnlichen Wahrnehmung unterstellt sah. Sie bildeten für ihn im Gegenteil eine Vorbedingung für die sinnliche Wahrnehmung, oder wie Kant selbst es ausdrückte: zwei Erkenntnißquellen, aus denen a priori verschiedene synthetische Erkenntnisse geschöpft werden können   (KANT, 1787, S. 87/ im Original S. 63). Der Raum verlor damit seine bisherige physische Konsistenz im Sinne des Naturraumes und wurde zur Abstraktion, die nur durch die menschliche Wahrnehmung existieren konnte. Dementsprechend galt auch die Geographie Kant nicht mehr länger als eine Raumwissenschaft, stattdessen setzte er an ihre Stelle die Geometrie. Da diese nicht auf der sinnlichen Wahrnehmung beruhte, sondern sich streng analytischer Methoden bediente, galt sie als Beispiel der reinen Erkenntnis. Für die Geographie, die sich im Gegensatz dazu fast ausschließlich mit empirischen Phänomenen befasste, sah Kant nur noch die Funktion einer propädeutischen Hilfswissenschaft, für die kein Platz im System der reinen Erkenntnis war (HETTNER, 1927, S. 115f. und WERLEN, 1993, 245f.).
Trotz des großen Einflusses Kants zu seiner Zeit blieb der physische Raumbegriff in der Geographie dominierend. So findet sich bei Carl Ritter, der neben Alexander von Humboldt zu Anfang des 19. Jahrhunderts einer der prägendsten Forscher in der Geographie war, folgende Definition der Disziplin:
Geographie sei ...  die Lehre von der Raumerfüllung in ihren wesentlichen Verhältnissen und in ihrer innern und äußern Gesetzmäßigkeit.
(Carl Ritter, 1852, zitiert nach WIRTH, 1979, S. 54)
Mit dem Begriff Raumerfüllung bezog sich Ritter in diesem Fall ausschließlich auf physische Faktoren, wobei er aber betonte, dass es in der Geographie nicht um deren reine Erfassung gehe, sondern um die Suche nach Gesetzmäßigkeiten. Auch Alexander von Humboldt orientierte sich in seinen Länderkunden an den Prinzipien des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns und obwohl er sich stärker in die naturwissenschaftliche Richtung orientierte, findet man sowohl bei ihm, als auch bei Ritter die ausdrückliche Einbeziehung des Menschen als Element des Naturraumes. Dieser Ansatz war ausschlaggebend für das spätere Ansehen der beiden Forscher als Mitbegründer der modernen Geographie (BARTELS, 1968, S. 127). Die Betonung des wissenschaftlich systematischen Ansatzes hatte zur Folge, dass naturwissenschaftliche Studien im akademischen Umfeld zu einem höheren Ansehen gelangten als geisteswissenschaftliche. Die Physische Geographie und mit ihr der physische Raumbegriff dominierten bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Disziplin.
Erste Ansätze einer kulturwissenschaftlichen Forschung blieben in dieser Zeit dem Konzept des Naturraums verhaftet. Unter dem Eindruck der Evolutionstheorie Charles Darwins entwickelte sich in der Geographie die Richtung des Naturdeterminismus, u.a. vertreten durch Friedrich Ratzel. In dieser Konzeption ist der Mensch durch die natürlichen Bedingungen, die ihn umgeben, bestimmt, da er in hohem Maße den Kräften der Natur ausgeliefert ist. Diese Ansätze, die den Menschen zum Zentrum der geographischen Forschung machten, beschäftigten sich entsprechend mit der Identifizierung der das Individuum bestimmenden natürlichen Faktoren (MASSEY/ALLEN, 1984, S. 2). Der Naturraum wurde somit erstmals mit einer Bedeutung belegt, die ihm nicht mehr länger die Position eines neutralen Untersuchungsobjektes zuwies, sondern ihn zu einem bestimmenden Faktor für die Entwicklung des Menschen und den Verlauf der Geschichte werden ließ. Kritiker dieses Ansatzes entwarfen mit dem Possibilismus eine entschärfte Fassung des reinen Naturdeterminismus, indem sie (unter anderem Vidal de la Blache) dem Menschen zugestanden, sich unabhängig zwischen den in der Natur vorhandenen Wahlmöglichkeiten entscheiden zu können. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff Raum demnach noch immer im Sinne des physischen Naturraumes benutzt.

Der Raumbegriff bis zum 2. Weltkrieg

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die Auswirkungen der Industrialisierung, ausgehend von Großbritannien, in ganz Europa zu spüren. Damit einher gingen tiefe gesellschaftliche Veränderungen, die sich auch in räumlichen Strukturen und Prozessen niederschlugen. Wanderungsbewegungen vom Land in die Stadt setzten ein, da die Landbevölkerung in den industriellen Produktionsanlagen der Stadt einen Arbeitsmarkt sah, dessen Bedarf an Arbeitskräften unersättlich schien. Der massive Zuzug brachte die Städte an die Grenzen ihrer Wohnraum- und Versorgungskapazitäten. In räumlicher Hinsicht schlugen sich diese Probleme unter anderem in der Bildung von Arbeitervierteln nieder. Die verheerende Wohnsituation dort zeigte, dass sich die Erwartungen der Arbeiter nicht erfüllt hatten und aufgrund zu niedriger Löhne und schlechter Arbeitsbedingungen Armut und Krankheit herrschten. Parallel zum Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft entwickelte sich, unter anderem auf die Gedanken Karl Marx' gegründet, ein Wissenschaftszweig, der sich mit den durch die Transformation bedingten Problemen für Mensch und Gesellschaft beschäftigte. Da die Bevölkerung in den Städten immer weniger mit der Natur in Kontakt stand, sah die neue Forschungsrichtung den Menschen nicht mehr primär durch die natürliche Ausstattung des Lebensraumes geprägt, sondern durch sein gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld. Darauf basierend entwickelten sich sogenannte sozialwissenschaftliche Ansätze, die entweder den eben beschriebenen sozialdeterministischen Ansatz verfolgten oder im Gegensatz dazu jede Determiniertheit ablehnten und die freie Entscheidungskraft des Individuums postulierten. Beide Richtungen lehnten in jedem Fall den in der Geographie vertretenen Naturdeterminismus ab (WERLEN, 2000). Neben der weitgehenden Unabhängigkeit der Stadtbevölkerung von der Natur verfügte auch die Landbevölkerung über immer bessere Mittel, um die Kräfte der Natur zu kontrollieren. Damit liegt es nahe, dass der Naturraum als bestimmender Faktor an Bedeutung verlor und soziale bzw. kulturelle Faktoren in den Vordergrund traten. Die deutsche Geographie reagierte zunächst nicht auf diese Entwicklungen und blieb bei ihrem Ansatz der Landschaftsforschung, bei der der Mensch weitgehend die Funktionsstellung und den Rang einer bloßen Erklärungsursache materiell-landschaftlicher Sachverhalte erhält    (BARTELS, 1968, S. 131). Während sich in anderen Ländern die Forschung bereits auf die neuen gesellschaftlichen Bedingungen einstellte, dominierte in Deutschland noch über die 30er Jahre hinaus das Paradigma der naturräumlichen Untersuchungsgrundlage in der Geographie.
Welche Vorstellung vom Raum war charakteristisch für diese Zeit? Der Geograph Alfred Hettner behandelte in seinem Werk Die Geographie - ihre Geschichte, ihr Wesen, ihre Methoden  (1927) unter anderem die aktuellen Forschungsansätze und die ihnen eigentümlichen Raumvorstellungen. Dabei stellte er fest:
Der Raum als solcher ist eine Anschauungsform; reale Bedeutung gewinnt er nur durch seinen Inhalt!
(HETTNER, 1927, S. 128)
Aus dem Kontext genommen, könnte dieses Zitat als weitsichtige Feststellung gedeutet werden, in der sogar der Kantsche Raumbegriff Berücksichtigung findet. Liest man das Zitat dagegen im Zusammenhang, stellt man fest, dass sich Hettner mit diesem Satz gegen einen seiner Meinung nach zu abstrakten Raumbegriff seines Kollegen Friedrich Ratzel wandte. In diesem Fall verstand er unter dem Begriff Inhalt  konkrete physische Phänomene und blieb damit dem bisherigen physischen Raumbegriff verhaftet. Um seine Auffassung vom Raum verstehen zu können, müssen die Hintergründe in Hettners Werk näher beleuchtet werden. An dieser Stelle sei auf WERLEN (1993) verwiesen, der sich mit Hettners Interpretation von Kants Werk auseinandergesetzt hat und zu dem Schluss kommt, dass Hettner elementare Gedanken Kants sehr frei interpretiert, um seinem Ziel näher"-zu"-kommen, die Geographie als Hochschuldisziplin zu stärken. Insgesamt war Hettner sehr auf die Außenwirkung des Faches bedacht, weswegen er es auch als seine Aufgabe betrachtete, der enstehenden Trennung in Physische Geographie und Kulturgeographie entgegenzuwirken. In der Länderkunde sah er das einigende Prinzip und blieb folglich Anhänger des Naturraum-Begriffes, worauf seine Definition der Geographie als chorologische oder Raumwissenschaft  hindeutet (HETTNER 1927, S. 117). Außer Frage steht für ihn, dass der Mensch ein elementarer Teil der geographischen Analyse ist. Seiner Meinung nach widerspricht diesem Prinzip der Ansatz Otto Schlüters:
Denn wenn man das Geistige herausläßt, so gehen der Geographie gerade Gebiete verloren, die sie seit alters mit besonderem Eifer gepflegt hat, wie die politische Geographie, die Geographie der Völkersitze und eigentlich auch die Verkehrs- und Handelsgeographie, ...
(HETTNER, 1927, S. 128).
Wie BECK (1982, S. 225ff.) feststellt, gründet sich die Ablehnung Hettners nicht unbedingt auf einen Widerspruch zu Schlüters Ansatz, denn es lassen sich einige inhaltliche Übereinstimmungen in den beiden Werken finden. Vielmehr scheint Hettner Schlüters Bemühungen um eine Stärkung einer eigenständigen kulturgeographischen Forschung abzulehnen, die seinem Ziel, die Einheit der Geographie zu bewahren, entgegenwirkten.
Obwohl Hettners Werk für die weitere geographische Forschung prägend ist, finden sich bereits vor dem 2. Weltkrieg Konzeptionen, die von seiner Denkweise abweichen und im Raum, bzw. in räumlichen Einheiten, abstrakte Elemente erkennen (WIRTH, 1979, S. 55). Ein schönes Beispiel findet sich in Norbert Krebs Aufsatz Natur- und Kulturlandschaft   (KREBS, 1923). Er vergleicht dort das Wesen einer Landschaft mit den Teilen des menschlichen Körpers: ...  Endlich, räumlich beschränkt, aber qualitativ herausgehoben als Schmuck am Körper: die menschliche Siedlung im weitesten Sinne des Wortes. Das ist alles sinnlich wahrnehmbar: das Sichtbare bleibt das Objekt der Betrachtung doch gehört zu dessen Verständnis sehr häufig das Eindringen in rein geistige Dinge.   (KREBS, 1923, S. 82/83). Wie bereits erwähnt schreibt Hettner auch Ratzel zu, gelegentlich ...  den Charakter der Geographie als Raumwissenschaft in eigentümlich abstrakter Weise gefaßt zu haben, indem er die reinen Eigenschaften des Raumes, nämlich die Längen und Entfernungen und die Form und Größe der Flächen im Gegensatz zu den Verschiedenheiten des Inhaltes in den Vordergrund stellt.  (HETTNER, 1927, S. 127). An diesen zwei Beispielen zeigt sich, dass die Abstraktion eines Raumes oder einer räumlichen Einheit auf verschiedene Arten aufgefasst werden kann: In Ratzels Fall in mathematisch-abstrakter Weise, bei Krebs als Abstraktion von Struktur und Funktion.
Für die bisherige Betrachtung kann als Zwischenbilanz festgestellt werden, dass der Raumbegriff in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der geographischen Inhalte steht. Solange sich die Geographie mit der reinen Erdbeschreibung beschäftigte, galt der Naturraum als Untersuchungsobjekt. Mit den Anfängen der modernen Geographie seit Alexander von Humboldt und Carl Ritter und damit der Einbeziehung des Faktors Mensch entwickelten sich unterschiedliche Vorstellungen vom Begriff des Raumes, entsprechend der einsetzenden Trennung der Disziplin in Physische Geographie und Kulturgeographie. Die Physische Geographie blieb weiterhin dem Naturraum verhaftet, die Länderkunde bzw. Lanschaftsforschung nahm den Menschen als den Naturraum verändernden Faktor in die Studien mit auf, aber erst mit den Vorläufern der Kulturgeographie wurden unter der Einbeziehung des Menschen die relationalen und funktionalen Aspekte des Raumes betont und damit erste Grundlagen für einen abstrakten Raumbegriff geschaffen.
Während man sich in Deutschland noch mit der Frage beschäftigte, ob die Aufgabe der Geographie als Länderkunde oder als Landschaftskunde zu bezeichnen sei, begann in den USA eine Revision der geographischen Inhalte. Ihren Ursprung hatte diese Entwicklung in der Chicagoer Schule, die sich mit den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen beschäftigte, die durch die Industrialisierung hervorgerufen worden waren. Die im Anfangsstadium ausschließlich aus soziologischer Sicht behandelten Problemfelder konzentrierten sich auf den Untersuchungsraum Großstadt, in dem die Veränderungen besonders deutlich hervortraten. Von Interesse war dabei nicht mehr die menschliche Determiniertheit durch die Natur, sondern die Analyse der Anpassungsmechanismen des Menschen an seine Umwelt im Sinne der Darwinschen Evolutionstheorie. Unter dem Begriff Umwelt wurde dabei die Gesamtheit aller auf den Menschen einwirkenden natürlichen und nicht-natürlichen Faktoren verstanden. Analog zu den Adaptions- und Selektionsmechanismen in der Tier- und Pflanzenwelt wurde für die Prozesse innerhalb menschlicher Gesellschaften das Prinzip des survival of the fittest  postuliert und der Begriff der Sozialökologie  geprägt.
Charakteristisch für die amerikanische Wissenschaft dieser Zeit war die Betonung der interdisziplinären Forschung, bei der sowohl Inhalte, als auch Methoden von den Nachbardisziplinen übernommen wurden. Darüber hinaus konnte in der wissenschaftlichen Arbeit ein Trend zur Theorie- und Modellbildung festgestellt werden, der sich in der Geographie allerdings erst nach dem 2. Weltkrieg in vollem Maße durchsetzte. Dieser Paradigmenwechsel führte zu einer weitgehenden Trennung von Physischer Geographie und Kulturgeographie und zu einer Abkehr vom Landschafts- bzw. Länderbegriff als Analyserahmen für die Forschung. Die Konzentration der Untersuchung auf den städtischen Raum wurde von der Soziologie übernommen. Der Anspruch der Theoriebildung machte es notwendig, räumliche Einheiten zu definieren, denen bestimmte Phänomene zugeordnet wurden. Der Raumbegriff im Sinne des englischen Wortes space  trat zunächst vor dem Begriff area  zurück. Als natural areas  wurden physisch (zum Beispiel durch Flüsse oder Verkehrswege) abgegrenzte Gebiete bezeichnet, in denen es aufgrund der Abgrenzung zur Ausprägung eines gesellschaftlichen Merkmals kam. Social areas  wurden sozial homogene Gebiete genannt, die als Untersuchungsgegenstand dienen konnten (BARTELS, 1968, S. 172). Der Raum wurde in diesem Sinne nicht mehr primär durch seinen Inhalt für die Geographie interessant, sondern durch seine Funktion, einen Rahmen für die Analyse gesellschaftlicher Phänomene darzustellen.
Die vermehrte Modellbildung führte dazu, dass der abstrakte Raumbegriff in der geographischen Forschung gegenüber dem physischen an Bedeutung gewann. Bereits in frühen wirtschaftsgeographischen Modellen, wie dem Ringmodell von Thünen, wurde die Vielfalt des physischen Raumes auf ein abstraktes, universell anwendbares räumliches Schema reduziert. Die in der Chicagoer Schule entstandenen Stadtstrukturmodelle verfolgten dasselbe Prinzip: Funktionelle oder strukturelle Merkmale der Besiedlung dienten zur Identifizierung einheitlicher Räume und somit als Basis für die Modelle, die räumliche Gesetze widerspiegelten. Mit diesem Ansatz stand man in genauem Gegensatz zur Abgrenzung in der Landschaftsforschung, die sich ausschließlich an naturräumlichen Einheiten orientierte. Damit wird klar, dass sich die von Christaller bereits im Jahr 1933 aufgestellte Theorie der Zentralen Orte in Deutschland aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades zunächst nicht durchsetzen konnte.
Während man sich in den USA und auch in Frankreich mit gesellschaftlichen Prozessen und deren Raumbezug bewusst auseinandersetzte, trieb die deutsche Geographie nach 1933 auf ein Forschungsfeld zu, das zwar auch das Verhältnis von Mensch und Raum untersuchte, jedoch nicht mehr auf wissenschaftlichen Fundamenten ruhte, sondern von der Ideologie des Nationalsozialismus angetrieben wurde. Der Begriff des Raumes findet sich in der ideologischen Prägung als Lebensraum einer Rasse  und einem darin eingeschlossenen Anspruch auf dieses Gebiet wieder. Der Geographie kam die Aufgabe zu, die Verbundenheit von Blut und Boden  zu belegen. Hans-Dietrich SCHULTZ (1980, S. 209) bezeichnete die deutsche Geographie der 30er und 40er Jahre mit dem Begriff nationalpolitische Landschaftskunde  oder völkische Geographie.
Während der Begriff des Raumes im eben genannten Sinn über die Geographie hinaus im politisch-ideologischen Bereich Anwendung fand, setzte in der Disziplin eine Revision des Raumbegriffs ein. Es wurde bemängelt, dass der Begriff zu wenig klar definiert sei:
Wenige Ausdrücke werden in dieser Disziplin d.h. der Geographie  so schwankend verwendet wie der des Raumes, während er andererseits, in seltsamen logischen Widerspruch hierzu, doch zugleich als ihr Fundamentalbegriff gilt.
(E. Winkler, 1937, zitiert nach SCHULTZ, 1980, S. 225).
Die Diskussion förderte zwei Positionen zu Tage: Auf der einen Seite plädierte unter anderem Heinrich Schmitthenner für eine Rückkehr zum Landschaftsbegriff, dem nach seinen Worten primitiven Vorstellungsraum, den uns die Raumerfahrung der Sinne ...  vermittelt.   (Schmitthenner, 1939, zitiert nach SCHULTZ, 1980, S. 225). Auf der anderen Seite setzte sich Walter Christaller für eine Suche nach einem abstrakten Raumbegriff ein:
Wir müssen uns einen Raum gedanklich aufbauen, einen reinen Raum, wie die Physik sich ihren eigenen abstrakten, nur im Denken existierenden Raum schafft.
(Christaller, 1941, zitiert nach SCHULTZ, 1980, S. 226).
Gemeinsam ist beiden Positionen, dass sie, ohne dies explizit auszudrücken, in der Neudefinierung des Raumbegriffs eine Entpolitisierung der Geographie suchen. Um Abstand von der Ideologie des Nationalsozialismus zu gewinnen, kehrte man zu scheinbar neutralen Begriffen zurück. Christaller verwendete in diesem Zusammenhang das Attribut rein, was eventuell in einem doppelten Sinn gewertet werden kann. Es ist hier nicht die Aufgabe, das Agieren der Geographie im Dritten Reich zu bewerten, dennoch soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich die Wissenschaft mit der Zielsetzung der Neutralität und Objektivität keinesfalls den realen politischen Verhältnissen entziehen kann, da Handeln ebenso im gewollten Unterlassen und Dulden  (WEBER, 1973, S. 99) bestehen kann. Dennoch sahen sich die Geographen mit ihrer mehrheitlichen Rückkehr zum Landschaftsbegriff auf der richtigen Seite, mit dem Ergebnis, dass es unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges zu keiner Neuorientierung in der Disziplin kam und der seit den 30er und 40er Jahren beschrittene Weg weiter verfolgt wurde.

Der Raumbegriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Da eine unmittelbare Neuorientierung der Geographie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ausblieb, richtete die Forschung ihr Interesse erneut auf die Untersuchung der physischen Elemente der Landschaft. Zwei Aspekte machten die Verwendung des Landschaftsbegriffs attraktiv: Zum einen bot er noch immer eine Möglichkeit, um das Aufgabenfeld der Geographie gegen das anderer Sozialwissenschaften abzugrenzen, zum anderen wurde es als Verdienst der Landschaftsgeographie gesehen, die Einheit der Geographie bisher bewahrt zu haben (HARD, 1969, S. 262).
Was führte dazu, dass sich in den 60er und 70er Jahren trotz dieser Überzeugung ein Paradigmenwandel in der Geographie vollziehen konnte? Wie konnte es trotz der Einheitsbestrebungen dazu kommen, dass sich die Kulturgeographie und innerhalb von ihr eigenständige Fachrichtungen von der ganzheitlichen Geographie lösen konnten? Auf der einen Seite wirkten die Anhänger der Landschaftsforschung selbst daran mit, ihr Untersuchungsobjekt in Frage zu stellen, indem sie in den 50er Jahren eine neue Diskussion über die Definition des Landschaftsbegriffes entfachten. Das Ergebnis war, dass sich die früher scheinbar so selbstverständlich angewandten Begriffe der Landschafts- und Länderkunde jetzt erst recht einer konkreten Definition entzogen. Gab es damals zum Beispiel keinen Zweifel daran, dass sich eine Landschaft über eindeutige, größtenteils physische Kriterien abgrenzen lässt, wurden nun Stimmen laut, die die Landschaftsgrenzen einzig durch das Interesse des Forschers bestimmt sahen (SCHULTZ, 1980, S. 251ff.). Nachdem der Grundbegriff der Landschaftsforschung erst einmal in Frage gestellt war, konnte man sich auch nicht mehr auf das Ziel berufen, die Einzelbetrachtungen zu einer umfassenden Synthese zusammenzufügen. Um den Anspruch einer wissenschaftlichen Disziplin dennoch bewahren zu können, wich man auf die Anerkennung des pluralistischen Charakters der Landschaften aus, ohne damit der Definition des Landschaftsbegriffs näher gekommen zu sein. Endre Száva-Kováts kommt zu dem Schluss:
Die geographische Landschaft ist als Erscheinung keine objektive Realität, ihr Begriff ist eine fiktive Konstruktion, deren theoretische Grundlage die unerwiesene irrige Ansicht von der Geosphäre als einer Integration darstellt.
(SZAVA-KOVATS, 1960, S. 46)
Wie bereits erwähnt waren die Sozialwissenschaften in den USA im Gegensatz zu Deutschland bereits stark an den Universitäten vertreten und übten von dort aus Einfluss auf die deutsche Wissenschaftslandschaft aus. Nachdem der universalistische Anspruch der Landschaftsgeographie gebrochen war, konnten sich Konzepte, die an den Sozialwissenschaften orientiert waren, innerhalb der Disziplin leichter durchsetzen. Einen entscheidenden Anstoss für die Abkehr von der Landschaftsforschung gab die Habilitationsschrift Dietrich Bartels aus dem Jahr 1968 mit dem Titel Zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung einer Geographie des Menschen. Der Titel zeigt, dass die Beantwortung der Frage nach der wissenschaftlichen Legitimität und dem theoretischen Fundament der Geographie auch nach dem Scheitern der Definition in der Landschaftsgeographie nach wie vor akut war. Wie stark das Bedürfnis nach der Klärung dieser Grundlagen war, zeigten die Proteste beim Kieler Geographentag 1969, an dem Studenten sich gegen die traditionelle Geographie erhoben und eine Neuorientierung in Richtung einer empirischen Wissenschaft verlangten (WERLEN, 2000, S. 208). Wirth formulierte die Ansprüche der neuen geographischen Wissenschaft wie folgt:
Nicht zunehmende Integration zu immer höherrangigen Komplexen, sondern zunehmende Abstraktion von der unendlich komplexen Mannigfaltigkeit der realen Welt kennzeichnet die Arbeitsweise des wissenschaftlichen Geographen.
(WIRTH, 1979, S. 167f.)
Die Neuorientierung in Richtung einer zunehmenden Abstraktion muss im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, dass sich die Geographie nach dem 2. Weltkrieg an der Planung des Wiederaufbaus Deutschlands zu beteiligen hatte. Da die bisherige geographische Arbeit darauf ausgerichtet war, die Phänomene der Erdoberfläche zu erfassen und zu analysieren, und man im Gegensatz dazu jetzt gezwungen war, handlungsorientiert zu arbeiten, mussten auch die Forschungsmethoden neu definiert werden. Die empirischen Erkenntnismethoden der Sozialwissenschaften eröffneten die Möglichkeit, die Komplexität der Wirklichkeit durch Modellbildungen zu reduzieren und schafften dadurch die Grundlage für ein problemorientiertes Arbeiten. Der Ansatz der Landschaftsgeographie, der das Ziel hatte, die Phänomene der Erdoberfläche in ihrer Gesamtheit zu erfassen, konnte für die Lösung dieser speziellen Fragestellungen nicht angewandt werden.
Mit dem Methodenwechsel ging eine Abkehr vom Einheitsanspruch der Geographie einher. Da das Ziel der Forschung nicht mehr auf eine möglichst umfassende Erhebung physischer Phänomene ausgerichtet war, sondern es um die Lösung konkreter Probleme ging, wurde der universalistische Ansatz zugunsten der Herausbildung von Spezialgebieten aufgegeben. So entwickelten sich unter anderem die Sozialgeographie und die Wirtschaftsgeographie zu eigenständigen Forschungsbereichen. Es soll nicht übersehen werden, dass es auch schon vor dieser Zeit vereinzelte Ansätze gab, die in diese Richtung wiesen, wie zum Beispiel das Werk Christallers. Die Entwicklungen der 60er Jahre markierten also den Beginn der Kulturgeographie im heutigen Sinn, deswegen soll von nun an gezielt von Kulturgeographie gesprochen werden, wenn es sich um die Gesamtheit der sozialwissenschaftlich orientierten Teilbereiche der Geographie handelt. Aufgrund der weitreichenden Folgen ist dieser Wechsel, bei dem nicht nur Begriffe, sondern auch Methoden, Forschungsgebiete und das theoretische Fundament umgestaltet wurden, als ein Paradigmenwechsel in der Geographie zu betrachten, der zwar das Ende der Geographie  markierte, aber die Entstehung der Kulturgeographie bedeutete.
Wie bereits erwähnt, sah sich die Kulturgeographie mit dem Anspruch konfrontiert, den Raum und seine Inhalte nicht mehr nur zu beschreiben, sondern aktiv an seiner Gestaltung teilzunehmen. Welche Auswirkungen dieser Wandel auf die kulturgeographische Forschung hatte, zeigt das Beispiel der in den 60er Jahren entstandenen Münchner Sozialgeographischen Schule   (WERLEN, 2000, S. 174), deren Forschungen den Mensch und seine Bedürfnisse in das Zentrum der Arbeit stellte. Sogenannte menschliche Daseinsgrundfunktionen (Versorgung, Arbeiten, Wohnen, Bildung, Erholung, Fortbewegung) bildeten die Leitlinien für die räumliche Planung. Den Raumbegriff der Münchener Sozialgeographen formulierten Ruppert und Schaffer wie folgt:
Der sozialgeographische Raum ist eine Abstraktion, seine Grenzen werden durch spezifische Reaktionsreichweiten der sozialen Gruppen bestimmt, die ihre Daseinsfunktionen innerhalb eines Gebietes entwickeln. Ändern sich die Reaktions-, Verhaltens- und Funktionsfelder der Gruppen, dann wandeln sich zwangsläufig die Dimensionen des sozialgeographischen Raumes.
(RUPPERT/SCHAFFER, 1969, S. 211)
Damit war der Raum für die Kulturgeographie nicht mehr aufgrund seiner physischen Merkmale interessant, sondern durch menschliche Handlungen, die in ihm stattfinden konnten. Dementsprechend fand die Bildung von räumlichen Untersuchungseinheiten nicht mehr aufgrund physischer Gegebenheiten statt, wie es noch in der Landschaftsforschung praktiziert wurde, sondern wegen der Ausprägung sozialer Phänomene. Das Aufgreifen dieser nicht-materiellen Faktoren führte dazu, dass die Abstraktion des Raumbegriffs weiter voranschritt.
Die Forschungsmethoden, die sich seit den 60er und 70er Jahren aus der neuen Perspektive ergaben, waren vielfältig und existierten zum Teil parallel. Bei ihrer Vorstellung soll der Übersicht halber deswegen an dieser Stelle die chronologische Darstellung der Entwicklung des Raumbegriffs durch eine thematische Gliederung ergänzt werden. Ein Überblick über die Raumkonzepte, die erläutert werden sollen, findet sich bei BARTELS (1974, S. 20). Mitte der 70er Jahre unterschied er vier Raumkonzepte:
  1. Raum als Wahrnehmungsgesamtheit in der Bedeutung des phyischen Raumbegriffs der Landschaftsforschung
  2. Raum als Gegenspieler (Mensch-Natur), vor allem in der naturdeterministischen Sicht benutzt
  3. Raum als dimensionaler Behälter, der vor allem durch Begriffe gekennzeichnet ist, die in der empirischen Forschung Anwendung finden
  4. Raum als sozial-distanzielles Interaktionsgefüge, bei dem menschliche Entscheidungsprozesse in die Analyse miteinbezogen werden
Anhand dieser Gliederung sollen im Folgenden die in den 70er Jahren angewandten Forschungsansätze und die damit verbundenen Raumbegriffe dargestellt werden. Punkt 3) und 4) werden in diesem Fall hervorgehoben, da sie für die weitere Entwicklung des abstrakten Raumbegriffs wichtig sind. Zu erwähnen ist, dass in dieser Zeit sowohl der Landschaftsansatz, als auch der Raumbegriff im Sinne von Punkt 2), der durch das Einsetzen der Umweltschutzdebatte zu neuer Bedeutung gelangte, weiterhin verfolgt wurden. Da aber in beiden Fällen von einem physischen Raumbegriff ausgegangen wird, soll an dieser Stelle auf diese beiden Richtungen nicht näher eingegangen werden. Konkret werden im Folgenden die Raumbegriffe des quantitativen/raumwissenschaftlichen, des kognitiven und des postmodernen Ansatzes vorgestellt, sowie das Konzept von der Auflösung des Raumes.

Raumbegriff des raumwissenschaftlichen Ansatzes

Die Übernahme der empirischen Forschungsmethoden aus den Sozialwissenschaften führte in der Kulturgeographie, wie auch in anderen Disziplinen, zur Herausbildung eines sogenannten quantitativen   Ansatzes. Durch die Anwendung mathematisch-statistischer Methoden sollte die Nachprüfbarkeit wissenschaftlicher Forschungsergebnisse im Sinne des Positivismus erreicht werden. In der Kulturgeographie führte die sogenannte Quantitative Revolution  dazu, dass sich die Forschung vor allem mit der Erhebung und Auswertung von Daten beschäftigte, die das räumliche Verhalten der Menschen widerspiegelten. Die Aufgabe des Raumes war es, ähnlich wie schon beim Ansatz der Chicagoer Schule, einen Rahmen für die Analyse menschlichen Verhaltens darzustellen.
Wer hier von Raum, Ort  und Lage  redet, meint Anordnung von Objekten im Raum - und sonst nichts.
(HARD, 1973, S. 184)
Der Raum wurde in diesem Sinne auf Begriffe reduziert, die, wie Richtung, Distanz oder Verbindung, die Lage oder Beziehung von Objekten im Raum beschrieben. Als Folge der empirischen Ausrichtung wurden die Forschungsergebnisse der quantitativen Analysen häufig in statistische Terminologien gefasst. Begriffe wie Streuungsmaß, Korrelationskoeffizient oder Zentralitätsmaß drückten somit räumliche Verhältnisse oder Beziehungen aus. Nach der Einteilung der Raumkonzepte von Bartels handelt es sich hierbei eindeutig um einen Raumbegriff im Sinne eines dimensionalen Behälters.
Der quantitative Ansatz stieß in der Kulturgeographie an die Grenzen seiner Anwendbarkeit, als er allzu offensichtlich zu zweifelhaften Ergebnissen führte. Diese fehlerhaften Schlüsse waren darauf zurückzuführen, dass räumliche Korrelationen nicht auf ihren Zufallscharakter hin überprüft, sondern als ein kausaler Zusammenhang interpretiert wurden. In die Kritik geriet auch, dass nur diejenigen Phänomene untersucht wurden, die mit quantitativen Methoden erfasst werden konnten. Damit wurde eine Vorauswahl der Themenbereiche getroffen, die in wissenschaftlichem Verständnis nicht vertretbar war (NEEF, 1981, S. 9). Wenn auch der Ansatz selbst in die Kritik geriet, so wurden dennoch seine Methoden für die zukünftige Forschung als elementares Hilfsmittel beibehalten.
Im Gegensatz zum rein quantitativen Ansatz betonte der raumwissenschaftliche oder standorttheoretische Ansatz statt der wissenschaftlichen Methoden die untersuchten Inhalte, in diesem Fall die gesellschaftlichen Prozesse. Empirische Methoden bildeten die Grundlage der wissenschaftlichen Arbeit, so dass sich auch die Forscher des raumwissenschaftlichen Ansatzes bei ihren Untersuchungen auf jene Bereiche konzentrierten, die mit den genannten Methoden erfasst werden konnten. Diese Selektion rief dieselbe Kritik hervor, die auch schon in Bezug auf den quantitativen Ansatz geäußert wurde. Der Beitrag zur Neuorientierung der Disziplin galt dagegen weitgehend als unbestreitbar. Bei der Betrachtung des Raumbegriffs zeigt sich, dass die Basis der mathematisch-statistischen Arbeitsweise zu einer Differenzierung des Raumbegriffs und zur Schaffung klar umrissener Begrifflichkeiten beigetragen hat. BARTELS (1968) unterschied zum Beispiel zwischen Gebiet, Areal  und Feld, wobei er unter einem Gebiet den zu untersuchenden Ausschnitt der Erdoberfläche verstand, ein Areal durch eine bestimmte Struktur oder Funktion gekennzeichnet sah und ein Feld sich für ihn durch das abgestufte Vorkommen eines Sachverhaltes in einer räumlichen Einheit auszeichnete. Räumliche Einheiten waren also zum Teil an Funktionen gebunden, konnten aber auch den Abgrenzungskriterien des Forschers unterliegen. Den Zielsetzungen angemessen wurde die Art der räumlichen Darstellung ensprechend der Inhalte dimensioniert: Ging es zum Beispiel um die funktionelle Differenzierung einer Stadt, wurde das Stadtgebiet als Fläche, oder sogar als dreidimensionales Modell dargestellt, das in sich durch die funktionellen Aspekte unterteilt wurde. War das Thema dagegen die Siedlungsstruktur eines Gebietes, konnten Städte oder Dörfer punktuell erfasst werden und damit der Schwerpunkt auf das Verbreitungsmuster gelegt werden (BAHRENBERG, 1972, S. 15). Hard schloss daraus für das Ziel kulturgeographischer Forschung:
Im Rahmen der Geographie des Menschen richtet sich diese Perspektive auf den räumlichen Aspekt der menschlichen Aktivitäten an der Erdoberfläche: Verbreitungs-, Verknüpfungs- und Ausbreitungsmuster (aus Punkten, Linien, Flächen) werden studiert: einerseits als Determinanten, andererseits als Konsequenzen menschlichen Handelns.
(HARD, 1973, S. 184)
Für dieses Forschungsziel war die Berücksichtigung des Faktors Zeit elementar. Damit konnte die Raumwissenschaft den immer schneller von statten gehenden gesellschaftlichen Veränderungen der Moderne gerecht werden und so einen weiteren Bonus gegenüber der Länder- und Landschaftskunde erringen, die mit ihren lang andauernden Untersuchungen und den weiträumig angelegten Untersuchungsgebieten an einen Punkt gekommen war, an dem ein aktueller Stand der Forschung aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes nur noch schwer zu halten war.
Der Raum verlor durch die Sichtweise, wie sie bei Hard formuliert wurde, einen Teil seines konkreten, physischen Charakters und wurde zur abstrakten Projektionsfläche für gesellschaftliche Prozesse. Der Zusammenhang von räumlichen Verhältnissen und gesellschaftlichen Bedingungen kam in dem Begriff Sozialraum  zum Ausdruck: Räumliche Veränderungen wurden als Zeichen gesellschaftlichen Wandels gewertet. In diesem Sinne wiesen die Urbanisierungsprozesse am Ende des 19. Jahrhunderts auf einen Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft hin (WERLEN, 2000, S. 256).
Dass sich die Kulturgeographie mit diesem Ansatz dem abstrakten Forschungsobjekt Gesellschaft zuwandte, bedeutete nicht, dass sie den Blick für die konkreten Phänomene der physischen Welt verlor. Vielmehr wurde der Raum als ein Zwischenglied in die Beobachtung eingeschaltet, das es möglich machte, nichtgegenständliche Aspekte des gesellschaftlichen Lebens, wie zum Beispiel funktionale Zusammenhänge oder Hierarchien, sichtbar zu machen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass der Raum die gesellschaftliche Realität sowohl 1:1 abbilden kann, als auch durch eine gezielte Projektion ein schärferes Bild der Realität erzeugen kann. Hier liegt der Vergleich mit der Kartographie nahe, in der prinzipiell in ähnlicher Weise von der physischen Welt mittels einer Projektion ein neues Bild gewonnen wird. Die Auswahl der Elemente, der Maßstab und die Art der Projektion hängen davon ab, welche Aspekte der Realität dem Betrachter vermittelt werden sollen (SACK, 1980a, S. 5). Der geographische Charakter dieser Art der Abstraktion ist bisher nie in Frage gestellt worden. Letztendlich könnte man folgern, dass auch eine länder- oder landschaftskundliche Betrachtung nur eine Projektion ist, bei der der Forscher zur Projektionsfläche für die von ihm wahrgenommene Realität wird und seine subjektive Wahrnehmung dazu beiträgt, dass das Originalbild verzerrt wiedergegeben wird.
Dies führt zum wissenschaftstheoretischen Kontext, in dem der raumwissenschaftliche Ansatz zu sehen ist. Indem sich der Wissenschaftler dazu bekennt, dass das Forschungsobjekt weitgehend von seinen Interessen bestimmt ist, wird die Abkehr vom Postulat der objektiven   Wissenschaft deutlich. Unter anderem im Werk Max Webers wurde der Anspruch auf eine objektive, wertfreie Wissenschaft verworfen und die Forderung an den Forscher gestellt, dass er die seiner Arbeit zugrunde liegenden Wertmaßstäbe offenlegt (WEBER, 1904). Der Raum, früher als ein neutrales Objekt angesehen, erhält über die Definition des Raumbegriffs durch den Forscher eine subjektive Prägung.
Nach der Einteilung der Raumkonzepte von Bartels ist der Raumbegriff des raumwissenschaftlichen Ansatzes unter Punkt 4) als ein sozial-distanzielles Interaktionsgefüge zu begreifen, mit einem starken Einfluss des empirischen Raumbegriffs im Sinne von Punkt 3). Neben der bereits erwähnten Kritik am selektiven Charakter der Forschungsmethoden wurde den Vertretern des raumwissenschaftlichen Ansatzes vorgeworfen, die Bestimmtheit des Menschen, wie sie im Naturdeterminismus angenommen wurde, fortzusetzen, indem sie an die Stelle der Natur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als prägenden Faktor setzten. Beginnend in den 70er Jahren entwickelte sich ein Bewusstsein, das sich von der Soziallastigkeit  der 60er Jahre löste. Im Zuge dessen setzte in der wissenschaftlichen Forschung ein Perspektivenwechsel ein, der den Schwerpunkt von der gesellschaftlichen zur individuellen Analyse verlagerte.

Raumbegriff des kognitiven Ansatzes

Ein Auslöser für den Perspektivenwechsel in den 70er Jahren war das wachsende ökologische Problembewusstsein. Umweltverschutzung, Energie- und Rüstungspolitik hatten in der Bevölkerung ein Gefühl der massiven physischen Bedrohung des eigenen Lebens geweckt. Da man sich von der Politik im Stich gelassen sah, entwickelte sich in Deutschland eine Bewegung, in der Bürger selbst für ihre Forderungen eintraten. In der sogenannten Bürgerinitiativbewegung  trat ein Bewusstsein zu Tage, mit Hilfe dessen sich der Einzelne von seinem bisherigen gesellschaftlichen Umfeld löste, um sich einer auf gleichen Interessen basierenden Gruppe anzuschließen, in der er eine Möglichkeit zur Durchsetzung seiner individuellen Ziele sah. Die Ansprüche des Einzelnen wurden damit zur Grundlage für die Bildung gesellschaftlicher Gruppen. Faktoren die diese Prozesse früher geprägt hatten, wie Herkunft, Alter, Beruf traten in den Hintergrund.
Auch in der Kulturgeographie versuchte man dem neuen Stellenwert der Individualität und dem Bewusstsein für ökologische Probleme gerecht zu werden. Dieser Wandel führte zu einem Rückgriff auf den physischen Raumbegriff in den Teilbereichen der Geographie, in denen das Verhältnis Mensch-Umwelt und dessen konkrete Problembereiche untersucht wurden (BOESCH, 1989, S. 144). Über diesen Forschungszweig floss auch die Frage der individuellen Wahrnehmung des Raumes in die Analyse mit ein. Mit der Bezugnahme auf die menschliche Raumwahrnehmung versuchte man sich von der naturwissenschaftlich-positivistischen Sichtweise des raumwissenschaftlichen Ansatzes abzusetzen. Als Folge löste die Psychologie die Soziologie in der Einbeziehung von Nachbarwissenschaften ab. Für den Raumbegriff ergaben sich durch diesen Wandel unterschiedliche Konsequenzen. Eugen Wirth definierte die neuen Begrifflichkeiten wie folgt:
Die Termini -raum  und -feld  ( space  und field) werden von den einzelnen Autoren recht willkürlich und unsystematisch verwandt. Zur Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs dürfte es sich empfehlen, immer dann von -feld  zu sprechen, wenn die betreffende Raumeinheit auf eine Person als Zentrum der Kontakte, Interaktionen und Informationen hin orientiert ist. Dementsprechend wäre dann -raum  eine Einheit ohne solchen eindeutigen zentralen Bezugspunkt (z. B. Verkehrsgemeinschaft ).
(WIRTH, 1979, S. 209)
Wie das Zitat von Wirth zeigt, bildeten sich im Zuge der kognitiven Ansätze neue Begrifflichkeiten heraus, die an den folgenden zwei Beispielen verdeutlicht werden sollen. Im Konzept von J. Sonnenfeld bildet sich um das Individuum ein Komplex von Feldern, die eine unterschiedliche Ausdehnung im Raum besitzen: Das Informationsfeld  als weiträumigster Begriff umfasst alle Bereiche, über die der Mensch direkt oder indirekt Informationen besitzt. Das Interaktionsfeld  bezieht sich auf Bereiche, zu denen eine wechselseitige  Beziehung besteht, ohne dass es dabei zu einer face-to-face Begegnung kommt. Die Gesamtheit derjenigen Örtlichkeiten und Menschen  (WIRTH, 1979, S. 217, eigene Hervorhebung) stellt schließlich das Kontaktfeld  dar, das vom Individuum persönlich aufgesucht wird oder mit dem es in direktem Kontakt steht. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Deutung des Raumbegriffs eine weitere Abstraktion erfahren hatte: Mit dem Begriff Feld  wurde zwar noch immer eine räumliche Ausdehnung bezeichnet, Nähe oder Ferne wurden jetzt aber nicht mehr über metrische Distanzen festgelegt, sondern über den Informationsgrad des Individuums. Obwohl der Ansatz bereits aus dem Jahr 1972 stammt, deutete er Prozesse an, die heutzutage als Informatisierung  bezeichnet werden, was bedeutet, dass Informationen in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung den Stellenwert konkreter Güter einnehmen. Eventuell würde heute die Unterscheidung von persönlichen und nichtpersönlichen Kontakten nicht mehr so gravierend ausfallen, da letztere Form in den vergangenen 30 Jahren ein Teil des Alltags geworden ist.
Eine ähnliche Richtung verfolgte auch der Ansatz der Perzeptionsgeographie, der als zweites Beispiel vorgestellt werden soll. Stärker als im Ansatz von Sonnenfeld wurde die individuelle Wahrnehmung des Raumes thematisiert und durch die Erstellung von mental maps  erforscht. In der sogenannten kognitiven Kartierung  wurden Probanden vor die Aufgabe gestellt, Raumausschnitte ihres täglichen Lebens nur aus der Erinnerung heraus zu kartieren. Untersucht wurde, inwieweit die eingezeichneten Distanzverhältnisse mit denen der Realität übereinstimmten, bzw. welche Orientierungspunkte als markant wahrgenommen und deshalb in die Karte aufgenommen wurden. Abweichungen oder Selektionen in den Karten wurden auf das Wirken von Präferenzen und Abneigungen zurückgeführt (WERLEN, 2000, S. 286f.).
Der Begriff des Raumes wurde infolge der individualistischen Perspektive immer häufiger durch den Terminus Umwelt  ersetzt. Der Begriff Verhaltensumwelt  sollte zum Beispiel den Ausschnitt der Umwelt benennen, der Einfluss auf die Reaktion des Individuums ausübt (WERLEN, 2000, S. 285). Der Begriff Umwelt wurde demnach zur Betonung der Rolle des Raumes verwandt, Einfluss auf das Verhalten des Individuums auszuüben. Die Einordnung in das Schema der Raumkonzepte von Bartels ist an dieser Stelle etwas schwierig zu vollziehen, da unter Punkt 4) explizit von einem sozial-distanziellen Interaktionsgefüge  die Rede ist und somit der gesellschaftliche Aspekt betont wird. Richtigerweise müsste das Schema um einen Punkt erweitert werden, der den Raum als Einflussgröße für das menschliche Handeln und Interaktionsraum  beschreibt.

Der postmoderne Raumbegriff

Die bereits angedeutete Pluralität der Forschungsansätze seit dem Ende der 60er Jahre ist ein anhaltender Trend, der sich auch in der Gesellschaft wiederfinden lässt. Unter den Schlagworten Individualisierung   und Pluralisierung der Lebensstile  setzte seit den 70er Jahren eine Fragmentierung der Gesellschaft ein, die sich zunächst in den Städten ausprägte, in der Folge aber zunehmend auch die ländliche Bevölkerung erfasste. Als Ergebnis dieser Entwicklung kam es zu einer Koexistenz unterschiedlicher Lebenskonzepte in den früher homogenen gesellschaftlichen Gruppen. Die wissenschaftstheoretische Richtung, die sich seit den 70er Jahren mit dem Phänomen der Pluralisierung auseinandersetzt, wird als Postmoderne  bezeichnet. Die Anerkennung der Pluralität wurde zum Leitmotiv des Ansatzes, womit man sich von der Moderne absetzte, der die Vertreter der Postmoderne vorwarfen, die Pluralität als Prinzip zwar festgestellt, sie aber zu Gunsten einheitsbildender Metaerzählungen  verworfen zu haben, anstatt sie zu akzeptieren (LYOTARD, 1994, S. 14). Deswegen formulierte die Postmoderne kein einheitliches theoretisches Gedankengebäude, unter das die Vertreter hätten zusammengefasst werden können (GREGORY, 1989, S. 67ff.). Eine strukturierte Betrachtung, die sich auf inhaltliche Aspekte stützt, ist deswegen schwer zu bewerkstelligen, so dass es vonnöten sein wird, einzelne Vertreter und ihren Ansatz gesondert zu betrachten.
Eine Art Gemeinplatz der Postmoderne ist ihre neo-marxistische Ausrichtung, doch schon im Grad der Ausprägung unterscheiden sich die Autoren erheblich. Zentraler Begriff ist in allen Fällen die Macht  und die zu deren Erhaltung oder Erlangung dienenden Mittel. Die Funktion des Raumes ist es in diesem Fall, den Menschen und seine Tätigkeiten für denjeningen sichtbar zu machen, der nach der Macht strebt, um ihm dadurch die Kontrollmöglichkeit zu geben, ein Verhalten, das seine Macht in Frage stellt, zu sanktionieren (FOUCAULT, 1992, S. 251f.). Postmoderne geographische Arbeiten, wie zum Beispiel die Werke Edward Sojas oder Henri Lefebvres gehen gezielt auf die Funktion des Raumes ein. Lefebvre formuliert in seinem Buch The Production of Space  (im Original: La production de l'espace) (LEFEBVRE, 1998) eine Weiterführung des traditionellen marxistischen Ansatzes, indem er der Dualität von Gesellschaft und Geschichte die Instanz des Raumes hinzufügt; es entsteht der sogenannte Thirdspace  (SOJA, 1996, S. 31). Die Ablehnung von Dualitäten in der Postmoderne gründet sich auf die Überzeugung, dass es jenseits der Entscheidung zwischen zwei absoluten Punkten immer eine dritte Möglichkeit gibt, um jeglichen Absolutheitsanspruch der einen oder anderen Position zu brechen. Die Ablehnung des klassischen Marxismus setzt sich fort in Lefebvres Ablehnung einer Philosophie, in der der Mensch als scheinbar abstraktes Wesen behandelt wird. Mit der Einbeziehung des Raumes in seine Analyse sieht er eine Möglichkeit, den konkreten Realitätsbezug in der marxistischen Philosophie zurückzuerlangen:
The study of space offers an answer according to which the social relations of production have a social existence to the extent that they have a spatial existence; they project themselves into a space, becoming inscribed there, and in the process producing the space itself.
(Lefebvre zitiert nach SOJA, 1996, S. 46)
Der Mensch definiert sich demnach nicht nur aus Gesellschaft und Geschichte, sondern auch aus der Räumlichkeit. Die Dreigliedrigkeit findet sich auch in Lefebvres Raumbegriff wieder. Zunächst unterscheidet er zwischen dem physischen Naturraum, dem mentalen Raum und dem gesellschaftlichen Raum. Die ersten beiden bilden für ihn den sogenanten Social Space, welcher wiederum drei Momente beinhaltet: Spatial Practice, Representations of Space und Spaces of Representation. Diese Schlagworte entsprechen der Dreigliedrigkeit des Raumes als Zusammensetzung aus dem wahrgenommenen, gedachten und gelebten Raum. Dem Punkt Spatial Practice  wird die bereits erwähnte Produktion von Raum (Production of Space) zugeordnet. Hier wird über soziale Verhältnisse ein Raum erzeugt, der in weiten Teilen mit empirischen Methoden untersucht werden kann. Representations of Space  bezieht sich auf einen strukturierten, geplanten Raum. Dies ist der Raum, in dem die Mechanismen der Macht wirken und eine Kontrolle der Individuen möglich ist. Spaces of Representation  oder auch der gelebte Raum  stellt die bereits geschilderte dritte Möglichkeit dar, die die ersten beiden Punkte vereint, ohne dabei jedoch lediglich die Summe aus ihnen zu bilden. Soja beschreibt diesen Raum wie folgt:
Here then is space as directly lived, with all its intractability intact, a space that stretches across the images and symbols that accompany it, the space of inhabitants  and users. But it is also ...  inhabited and used by artists, writers, and philosophers - to which he would later add ethnologists, anthropologists, psychoanalysts, and other students of such representational spaces  - who seek only to describe rather than decipher and actively transform the worlds we live in.
(SOJA, 1996, S. 67)
Dieser dritte Raumbegriff ist schwerer zu fassen als die beiden vorausgegangenen. Soja beschreibt ihn als den Raum, der das Reale und Fiktive, Objekte und Gedanken verbindet und durch diese multistrukturellen Verbindungen nicht mehr zugänglich für die Mechanismen der Macht ist. Der gelebte Raum wird so zu einem Bereich, in dem sich Gegenräume  (counterspaces) bilden können, die durch ihre Position abseits der bestehenden Ordnung selbige bedrohen können (SOJA, 1996, S. 68).
Dieser kurze Überblick kann das Raumkonzept Lefebvres natürlich nicht erschöpfend darstellen, an den herausgegriffenen Aspekten sollte jedoch deutlich geworden sein, in welcher Weise sich der postmoderne Raumbegriff von den bisher behandelten unterscheidet. Grundsätzlich haben wir es mit einer Veränderung der wissenschaftstheoretischen Ausgangsbedingungen zu tun, indem die Postmoderne von jeglichem Wahrheits- und Absolutheitsanspruch Abstand nimmt und als einzig gültiges Prinzip die Anerkennung der Pluralität sieht. Da die Pluralität in der realen Welt jedoch nicht zu einem gleichberechtigten Nebeneinander führt, kommt die Macht als Einflussgröße ins Spiel. Der Raum kann in diesem Fall die Funktion übernehmen, die Strukturen und Mechanismen der Macht zu offenbaren, weil er zum Träger ihrer Kontrollmittel geworden ist (als Beispiel sei die visuelle Überwachung abgeschlossener Räume oder eingegrenzter Territorien genannt). Wenn in diesem Abschnitt besonders der Ansatz Lefebvres hervorgehoben wurde, zeigt dies einmal mehr die Unmöglichkeit, die Postmoderne als homogenes Phänomen zu begreifen, bzw. den postmodernen Raumbegriff einheitlich darzustellen, ohne dabei im Speziellen auf die Werke einzelner Vertreter einzugehen. Wenig überraschend ist nach dieser Analyse auch die Feststellung, dass der postmoderne Raumbegriff im viergliedrigen Schema Bartels, das bisher als Vergleich diente, nicht eindeutig zugeordnet werden kann: Die Funktion des Raumes im Sinne von Punkt 3) als dimensionaler Behälter, erfasst den Begriff des Spatial Practice, zum anderen beinhaltet der postmoderne Raumbegriff über den Umfang von Punkt 4) hinausgehende Aspekte, denn er kann nicht ausschließlich als sozial-distanzielles Interaktionsgefüge bezeichnet werden. In diesem Fall müsste eine Erweiterung der Einteilung in Richtung der politischen Dimension des Raumes, bzw. der Frage des Machteinflusses durch den Raum erfolgen.

Die Auflösung des Raumes

Die These von der Auflösung des Raumes  wirft die Frage auf, ob der Raum für die Definition der Kulturgeographie heutzutage überhaupt noch eine Rolle spielt. Wie in den vergangenen Abschnitten gezeigt wurde, entwickelte sich der Raumbegriff seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zweigleisig: Zum einen versuchte man den Bezug zum realen Raum zu wahren, zum anderen entwickelten sich aber immer mehr Konzepte, die trotz des Raumbezuges abstrakte Phänomene in die Analyse mitaufnahmen, die mit empirischen Methoden kaum noch zu fassen waren. Aus diesem Trend entwickelte sich die generelle Frage nach der Relevanz des Raumbegriffs für die Kulturgeographie, bzw. die Suche nach der generellen Bedeutung des Raumes für den Menschen der Gegenwart. Zwei Grundthesen sollen in diesem Zusammenhang dargestellt werden: Zum einen die Aussage, dass räumliche Distanzen im 20. Jahrhundert aufgrund neuer Kommunikations- und Transporttechnologien als handlungsbestimmende Faktoren an Bedeutung verlieren, zum anderen die Frage nach den Konsequenzen dieser Entwicklung für die Kulturgeographie, die unter anderem mit der Aussage Kulturgeographie ohne Raum  beantwortet wurde.
Ausgangspunkt für die Idee, dass räumliche Distanzen an Bedeutung verlieren, war eine Erweiterung der bisher ausschließlich metrischen Entfernungsmessung. Bereits in den 50er Jahren ging man dazu über, Distanzen an Faktoren wie Zeit, Kosten oder menschlichen Interaktionen festzumachen (HARVEY, 1969, S. 210). Es entwickelten sich daraufhin Studien, die gezielt der Frage nach unterschiedlichen Konzepten des Raum- und Distanzbegriffs in der Geographie nachgingen. Robert D. Sack stellte zum Beispiel fest, dass sich die Auflösung des Raumes als Bezugsrahmen am schwindenen Bewusstsein des Menschen über die räumliche Dimension seiner Handlungen festmachen ließe. Dieser Prozess würde hervorgerufen durch Technologien, die es ermöglichten, Distanzen zu überbrücken, ohne dass man sich der zugrundeliegenden Technik bewusst sein müsste und die es desweiteren ermöglichten, mit Personen zu kommunizieren, die man bisher nicht persönlich getroffen hatte (SACK, 1980a, S. 16). Als Beispiel diente Sack das Telefon. Heute, 20 Jahre später, können sämtliche neuen Kommunikationsmittel wie Telefax, Internet oder Videokonferenzen hinzugefügt werden. Nach Sack führte dieser Prozess dazu, dass Handlungen wie die Nutzung der Kommunikationsmittel nicht mehr als raumgebunden empfunden würden und es somit zu einer Loslösung vom physischen Raum käme. Sack äußerte sich zu der Frage, welche Bereiche in dieser Situation für die Kulturgeographie relevant seien wie folgt:
Some argue that mental states such as attitudes, values and ideas do not exist in space and do not have spatial properties. Such facts, it is claimed, are different from material objects and things. They may not be things in normal sense of the word. To this it could be countered that for us to know about such states in others, we must observe their physical manifestations and hence their corresponding spatial properties.
(SACK, 1980a, S. 18)
Sack gelangte in seiner Studie zu einem multiplen Raumbegriff, der sich auf die Art und Weise gründete, in der eine Gesellschaft eine Verbindung von Handlung und Raum herstellt. Er unterschied zwischen sophisticated-fragmented   und unsophisticated-fused  Konzepten. Erstere zeichnen sich dadurch aus, dass Objekte und Handlungen zu einem gewissen Grad von ihrem räumlichen Bezug gelöst sind (zum Beispiel in Industriegesellschaften), Zweitere sehen im Gegensatz dazu Objekt bzw. Handlung und Raum miteinander verbunden (traditionelle Gesellschaften) (SACK, 1980a, S. 26f.). Da er auch an anderen Stellen der kulturgeographischen Forschung eine wachsende Vielfalt an Raumbegriffen erkannte, forderte er als zukünftige Aufgabe der Disziplin nicht nur die Raumbegriffe im westlichen Sinn zu erforschen, sondern einen Analyserahmen für die gesamte Vielfalt der Begriffe zu schaffen (SACK, 1980b, S. 198). Während Sack von einer Begriffspluralität ausging, versucht WERLEN (1993) die Kulturgeographie von der Dominanz des Raumbegriffes zu lösen:
Nicht der Raum ist der Gegenstand geographischer Forschung, sondern die menschlichen Tätigkeiten unter bestimmten sozialen und räumlichen Bedingungen.
(WERLEN, 1993, S. 241)
Entsprechend dieser Aussage vertritt Werlen einen handlungsorientierten Ansatz  in der Kulturgeographie. Als Begründung für eine Neuorientierung führt er den Übergang von der traditionellen zur spät-modernen Gesellschaft an. In der folgenden Tabelle sind die Kriterien dargestellt, die Werlen zur Unterscheidung der beiden Gesellschaftsformen heranzieht:

Traditionelle Gesellschaften
(räumlich und zeitlich verankert)
Spät-moderne Gesellschaften
(räumlich und zeitlich entankert)
Die lokale Gemeinschaft bildet den vertrauten Lebenskontext Das globale Dorf bildet den weitgehend anonymen Erfahrungskontext
Kommunikation ist weitgehend an face-to-face Situationen gebunden Abstrakte Systeme ermöglichen soziale Beziehungen über große räumlich-zeitliche Distanzen innerhalb der Risikogesellschaften
Traditionen verknüpfen Vergangenheit und Zukunft Alltägliche Routinen erhalten die Seinsgewissheit
Verwandtschaftsbeziehungen bilden ein organisatorisches Prinzip zur Stabilisierung sozialer Bande in zeitlicher und räumlicher Hinsicht Global auftretende Generationskulturen
Soziale Positionszuweisungen erfolgen primär über Herkunft, Alter, Geschlecht Soziale Positionszuweisungen erfolgen primär im Rahmen von Produktionsprozessen
Geringe inter-regionale Kommunikationsmöglichkeiten Weltweite Kommunikationssysteme

Tabelle 3.1: Vergleich traditioneller und spät-moderner Gesellschaften nach WERLEN (1993).
Werlen kommt zu dem Schluss, dass spät-moderne Gesellschaften räumlich entankert sind. Statt deswegen jedoch das Ende der Kulturgeographie zu postulieren und sich zum Beispiel der Soziologie zuzuwenden, formt Werlen einen Raumbegriff, der der neuen Gesellschaftsform angepasst ist und sich auf die Analyse menschlicher Handlungen konzentriert: Der Raum wird als formal-klassifikatorischer  Begriff bezeichnet, der dazu dient, die Ordnung der materiellen Dinge zu beschreiben und ein sprachliches Kürzel   für die Funktionalzusammenhänge  der handlungszentrierten Sicht darzustellen. Als Abgrenzung gegen die anderen Sozialwissenschaften führt er an, dass die Kulturgeographie den physisch-materiellen Komponenten der Handlungskontexte in ihrer Räumlichkeit ...  besondere Aufmerksamkeit schenkt (WERLEN, 1993, S. 251). Er fordert damit einen Perspektivenwechsel, der den Schwerpunkt kulturgeographischer Forschung auf die Analyse menschlichen Handelns legt. Er setzt sich explizit von der handlungsorientierten Raumwissenschaft  ab und fordert im Gegensatz dazu eine raumorientierte Handlungswissenschaft  (WERLEN, 2000, S. 310). Er findet so eine Möglichkeit, nicht-materielle Phänomene in der Kulturgeographie zu berücksichtigen, indem er sie über ihre Bedeutung für das Handeln des Menschen auf ihre räumlichen Komponenten hin untersucht. Dass dieser Ansatz nicht ein Ende der Materialität in der kulturgeographischen Forschung bedeutet, formuliert er wie folgt:
Auch wenn die natürlichen Dinge immer nur zugewiesene Bedeutungen aufweisen können, stellen sie für viele unserer Tätigkeiten eine nicht hintergehbare Bedingung dar, weil wir aufgrund unserer eigenen Körperlichkeit selbst auch Bestandteil der Welt der Körper sind. Insofern sind wir bei der Ausführung unserer Tätigkeiten immer wieder mit räumlichen Konstellationen konfrontiert.
(WERLEN, 2000, S. 308)
Der Vollständigkeit halber soll auch in diesem Fall der Vergleich zum viergegliederten Schema Bartels gezogen werden. Da der handlungsorientierte Ansatz Werlens als eine Weiterführung des kognitiven Ansatzes gesehen werden kann, müsste auch hier eine Erweiterung des Schemas stattfinden. Die schon dort vorgeschlagene Formulierung Raum als Einflussgröße für menschliches Handeln  kann auch in diesem Fall angewandt werden.

Fazit

Trotz aller angemeldeten Zweifel an einem Weiterbestehen der Kulturgeographie als Raumwissenschaft konnten auch die kritischsten Stimmen bisher nicht leugnen, dass der reale Raum nach wie vor das Fundament der Forschung bildet. Trotzdem es über Jahrzehnte eine Verschiebung der thematischen Gewichtung gegeben hat, blieb der Kulturgeographie als Ankerpunkt der Bezug zum realen Raum erhalten.
In der folgenden Darstellung soll noch einmal das Raumschema Bartels aufgegriffen werden und die im Verlauf des vergangenen Kapitels ermittelten Erweiterungen hinzugefügt werden.
  1. Raum als Wahrnehmungsgesamtheit in der Bedeutung des phyischen Raumbegriffs der Landschaftsforschung (nach Bartels)
  2. Raum als Gegenspieler (Mensch-Natur), vor allem in der naturdeterministischen Sicht benutzt (nach Bartels)
  3. Raum als dimensionaler Behälter, der vor allem durch Begriffe gekennzeichnet ist, die in der empirischen Forschung Anwendung finden (nach Bartels)
  4. Raum als sozial-distanzielles Interaktionsgefüge, bei dem menschliche Entscheidungsprozesse in die Analyse miteinbezogen werden (nach Bartels)
  5. Raum als Projektionsfläche und Einflussgröße individuellen menschlichen Handelns
  6. Raum als Machtfaktor, seine Bedeutung für politische Verhältnisse
Natürlich konnten in diesem Kapitel längst nicht alle Raumkonzepte erschöpfend behandelt werden. Dennoch sollte anhand der ausgewählten Ansätze und Autoren deutlich geworden sein, mit welcher Vielfalt an Raumbegriffen es die Kulturgeographie zu tun hat. Hervorgehoben werden soll noch einmal, dass die genannten Konzepte sich keinesfalls immer ablösten, sondern ein Großteil von ihnen zur gleichen Zeit existierte und noch immer existiert. Im Zeitalter des theoretischen Anarchismus  des anything goes, wie es Paul Feyerabend formuliert hat, kann demgemäß nur noch einmal den Forderungen Max Webers Nachdruck verliehen werden, jeder wissenschaftlichen Arbeit durch die Klärung der verwendeten Begriffe ein solides Fundament zu geben. Unter diesem Zeichen soll auch das folgende Kapitel stehen. Nachdem der Raumbegriff bereits in der klassischen Kulturgeographie eine zunehmende Abstraktion erfahren hat, die bis hin zu einer kompletten Infragestellung des Raumes reicht, soll jetzt die Frage nach dem Charakter des virtuellen Raumes aufgeworfen werden, um zu ermitteln, ob er Basis einer kulturgeographischen Untersuchung werden kann.

Virtueller Raum und Cyberspace - Raum für die Kulturgeographie?

Das Ziel der vergangenen Kapitel war, die bisherige Entwicklung des Raumbegriffs in der Kulturgeographie zu verfolgen. Es zeigte sich, dass sowohl in der Dimension, als auch in der Anwendung des Begriffs eine ständige Veränderung stattfand. Der Raumbegriff war abhängig von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der allgemeinen wissenschaftlichen Forschungsorientierung. Durch die Veränderung einer der beiden Faktoren ergab sich in den meisten Fällen ein Richtungswechsel in der Kulturgeographie. So bedingte zum Beispiel die Industrialisierung eine verstärkt problemorientierte, auf den Menschen gerichtete kulturgeographische Forschung und die allgemeine quantitative Revolution eine Übernahme neuer Methoden. Um dem Anspruch einer Sozialwissenschaft gerecht zu werden, muss die Disziplin auf aktuelle gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Momentan scheint es allerdings, als hätte die deutsche Kulturgeographie den Anschluss an eine wichtige Veränderung verpasst: den Prozess der Informatisierung. Zwar zeigen sich Geographen im Einsatz mit den neuen Technologien und Medien engagierter als Mitglieder anderer Disziplinen, dennoch blieb eine Revision der Einflüsse auf die fachlichen Inhalte bisher weitgehend aus. Von vereinzelten Stimmen innerhalb der Disziplin und von fachfremder Seite wurde die Notwendigkeit dessen an die Kulturgeographie herangetragen (siehe zum Beispiel Gero von RANDOW, 2000). Um dieser Forderung entgegenzukommen, sollen im Folgenden die Grundlagen des Informatisierungsprozesses dargelegt werden. Dabei soll die Analyse des gesellschaftlichen Wandels wie in den vergangenen Kapiteln eine Basis schaffen, um auf die Implikationen für die Kulturgeographie schließen zu können.
Um sich dem Prozess des gesellschaftlichen Wandels durch die Informatisierung zu nähern, muss man sich zunächst durch ein scheinbar undurchdringliches Dickicht von Begriffen kämpfen: Globalisierung, Informationsgesellschaft, digitale Revolution, Wissensgesellschaft, um nur einige zu nennen. Den Kern der Sache weist bereits das im vorangegangenen Kapitel vorgestellte Konzept der spät-modernen Gesellschaft von Werlen aus (Tabelle 3.1), welches den Menschen durch seine Eingebundenheit in ein weltweites Bezugs- und Interaktionssystem charakterisiert sieht, in dem politische Macht zunehmend von ökonomischen Kräften übernommen wird. Durch den Einsatz eines hochentwickelten Kommunikationssystems sinkt die Bedeutung räumlicher Distanzen. Aus diesem allgemeinen Prozess können durch Verwendung bestimmter Begriffe einzelne Aspekte hervorgehoben werden: Die Bezeichnung Globalisierung  zielt dabei vor allem auf das Anwachsen weltweiter ökonomischer Verflechtungen und die Etablierung einer Art Universalkultur ab, die mit der globalen Verbreitung einheitlicher, vorwiegend amerikanisch geprägter Produkte und Lebensstile einhergeht. Der Begriff Risikogesellschaft  betont, dass die Folgen technologischen Fortschritts nicht immer im Voraus kalkulierbar sind und zu Risiken führen können, deren Auswirkungen den lokalen Maßstab überschreiten und zu einer potenziellen weltweiten Bedrohung werden (PONGS, 1999). Beide Konzepte rücken das Individuum in eine weitgehend passive Rolle und weisen der Politik schwindende Gestaltungsmöglichkeiten zu. Als Spielball einer allmächtigen Ökonomie bleiben dem Menschen ähnlich wie im naturdeterministischen Ansatz der Geographie nur geringe Freiheiten, wobei er sich zudem von der Politik im Stich gelassen sieht.
Betrachtet man den gesellschaftlichen Wandel in Deutschland, schlägt sich die Veränderung in Faktoren wie dem geringer werdenden Interesse der Bürger an politischen Themen und einer veränderten Beschäftigungsstruktur nieder. Ein weiteres Phänomen ist das umsichgreifende Börsenfieber. Der private Börsengang scheint den Eindruck zu vermitteln, als könne man als Individuum an den Gewinnen der Weltwirtschaft teilhaben und müsse sich nicht mehr länger als deren Opfer betrachten. Auch die vermehrte Nutzung des Internet weist auf ein Bestreben hin, sich aus der bisher empfundenen Passivität zu befreien und die Berieselung des Fernsehers durch die aktive Bestimmung der Inhalte am Computer zu ersetzen. Daneben scheint eine wahre Kommunikations-Manie  ausgebrochen zu sein, die sich im momentanen Mobiltelefon-Boom äußert. Das Internet ist ebenfalls Teil dieser Entwicklung, da seine Hauptfunktionen darin bestehen, Kommunikation auf unterschiedliche Arten zu ermöglichen, zum Beispiel durch E-Mail, Chaträume oder Videokonferenzen.
Bei genauer Betrachtung stellt man recht schnell fest, dass Inhalte bei dieser Form der Kommunikation häufig in den Hintergrund treten und es vorwiegend darum geht, die Verfügbarkeit des Mediums zu demonstrieren. Beim Anblick dieser Sachlage kann man sich die Frage stellen, ob der Fernseh-Konsum der 80er und 90er Jahre dafür verantwortlich ist, dass die Fähigkeit ein Gespräch zu führen in Teilen der Bevölkerung verloren gegangen zu sein scheint. Das Phänomen schweigende Seminarteilnehmer  an Hochschulen zeigt, dass dies keinesfalls eine Frage des Bildungsstandes ist. Aufgrund dieser Tendenzen ist es angebracht, nicht von einer Wissensgesellschaft  zu sprechen, da diese von einem Streben der gesamten Gesellschaft nach Wissen ausgeht, sondern den Begriff der Informationsgesellschaft  zu verwenden, der immerhin die Deutung zulässt, dass momentan eine sehr große Menge an Daten verfügbar ist, ohne damit etwas über deren Nutzung oder Anwendung in der Bevölkerung auszusagen. Festzuhalten bleibt, dass momentan sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene noch nicht abzusehen ist, ob sich das Internet in allen Teilen der Gesellschaft gleichmäßig ausbreiten wird oder ob es zu einem sogenannten Digital Divide  kommt, der die Gesellschaft in diejenigen, die Zugang zu den Informationen haben und jene, die keinen Zugang besitzen, spaltet.
Wie reagiert die kulturgeographische Forschung auf diese gesellschaftlichen Veränderungen? Durch die wachsende Bedeutung der Weltwirtschaft findet immer häufiger auch außerhalb der klassischen Wirtschaftsgeographie eine Betonung ökonomischer Aspekte statt. Hierbei wird zum Großteil nach den räumlichen Auswirkungen des Globalisierungsprozesses gesucht. Momentan werden vor allem die Makrostrukturen des Phänomens Globalisierung erfasst. Eine Differenzierung des Prozesses findet im Wesentlichen in Bereichen statt, in denen wirtschaftliche Strukturen untersucht werden, unter anderem in der Analyse veränderter Betriebsstrukturen, Produktpaletten, Absatzmärkte, Produktzyklen, Transportwege und -mittel. Das Internet wird dabei unter dem Punkt Infrastruktur  abgehandelt, wobei es in diesem Fall einzig um die Verfügbarkeit des Internetzugangs geht, in seltenen Fällen zusätzlich um die Qualität des vorhandenen Zugangs. Auf stadt- und sozialgeographischer Ebene wird das Internet nicht explizit hervorgehoben, sondern nur im Zusammenhang mit den allgemeinen Auswirkungen der neuen Kommunikationstechnologien betrachtet. In diesen Untersuchungen stehen deswegen nicht die Besonderheiten einzelner Medien zur Debatte, sondern das Phänomen der Kommunikation als Ganzes.
Wo kann eine spezielle Erforschung des Internet durch die Kulturgeographie ansetzen? Wenn man der Vorgehensweise der vergangenen Kapitel folgt, sollte eine Überprüfung der räumlichen Aspekte des Internet zu einer Klärung beitragen. Die bisherige Analyse hat gezeigt, dass sich der kulturgeographische Begriff des Raumes je nach Definition vom konkreten Naturraum bis hin zum abstrakten Raum der mental maps   erstrecken kann. Das folgende Zitat zeigt, dass sich der vom Internet eingenommene Raum im gesamten Spektrum wiederfindet:
Where is the internet? It is everywhere, as businesses and households even in the remotest parts of the world are discovering how internet technology revolutionizes communication. But it is also nowhere, with its nearly invisible infrastructure and its ephemeral content. Together, its apparent ubiquity and invisibility give its users a sense of placelessness, of freedom from the traditional constraints of physical distance. But this placelessness is an illusion. The internet is where its users are.
(KOLKO, 1999, S. 2)
Ein Teil des Internet ist über technische Einrichtungen, wie das Kabelnetz oder Satellitenanlagen und den Menschen als Benutzer im physischen Raum verankert. Dagegen bildet die Gesamtheit der Daten, die über das Internet zugänglich sind, einen abstrakten Raum, der zur virtuellen  Welt des Internet wird. Für die Benennung dieses abstrakten Datenraumes haben sich zwei Begriffe herausgebildet: virtueller Raum und Cyberspace. Im Folgenden soll geklärt werden, was unter den Begriffen zu verstehen ist, wie der virtuelle Raum mit dem realen Raum in Verbindung steht, was das räumliche  an den beschriebenen Phänomenen ist, und welche Konsequenzen sich aus diesen Aspekten für eine potentielle Untersuchung des Internet durch die Kulturgeographie ergeben.
Bei der Klärung der begrifflichen Grundlagen, stößt man auf eine Vielzahl von Definitionen des virtuellen Raumes und des Cyberspace. Eindeutig lässt sich nur der Ursprung des Begriffs Cyberspace klären, der aus dem literarisch-naturwissenschaftlichen Grenzbereich des Sciencefictionromanes stammt. William Gibson erwähnte den Begriff in seinem Roman Neuromancer  zum ersten Mal:
Die Matrix hat ihre Wurzeln in primitiven Videospielen, sagte der Sprecher, in frühen Computergrafikprogrammen und militärischen Experimenten mit Schädelelektroden. ...   Kyberspace. Unwillkürliche Halluzination, tagtäglich erlebt von Milliarden Berechtigten in allen Ländern, ....  Unvorstellbare Komplexität. Lichtzeilen in den Nicht-Raum des Verstandes gepackt, gruppierte Datenpakete. Wie die fliehenden Lichter einer Stadt...
Was ist das?  fragte Molly, als er den Kanalwahlschalter betätigte.
Kinderprogramm.
(GIBSON, 1998, S. 76)
Der Cyberspace gilt im Roman als ein weltweit vernetzter, abstrakter Datenraum, der über die direkte Verbindung eines Terminals mit dem menschlichen Nervensystem zugänglich wird. HENNING (1997) betont, dass Cyberspace  im heutigen Gebrauch vorwiegend die weltweite Vernetzung von Daten beschreibt und der Aspekt des Zugangs über neuronale Sensoren in den Hintergrund getreten ist. Außerdem weist er darauf hin, dass seiner Einschätzung nach mit dem Attribut cyber alles versehen wird, was sich in eine Steckdose stecken läßt und die Zielgruppe der Nintendo-Generation im Visier hat  (HENNING, 1997, S. 17f.). Sieht man von diesem werbewirksamen Gebrauch des Begriffs ab, kommt der Cyberspace in seinem ursprünglichen Sinne eines weltweiten Datennetzes dem Internet recht nahe. Gibson beschreibt den Cyberspace in seinem Roman als einen auf graphischer Darstellung basierenden Datenraum. Bedenkt man, dass das Buch zum ersten Mal im Jahr 1984 erschienen ist, kann man Gibsons Konzept als eine Vorwegnahme des erst fünf Jahre später entstehenden World Wide Web sehen, das die breite Nutzung des Internet über eine graphische Oberfläche möglich macht.
Es gibt aber auch andere Auffassungen davon, was unter dem Begriff Cyberspace zu verstehen ist. MÜNKER (1997, S. 108) sieht ihn als radikalste Version der virtuellen Realität. Um dieser These folgen zu können, muss zunächst der Begriff der virtuellen Realität bzw. des virtuellen Raumes erläutert werden. Auch hier trifft man auf eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Einig sind sich die Autoren darüber, dass der Begriff der virtuellen Realität auf den ersten Blick einen Widerspruch darstellt, da sich Virtualität und Realität gänzlich auszuschließen scheinen. Die Erklärungen des Attributes virtuell  reichen dabei von scheinbar  (HUBER, 1994, S. 126), physikalisch nicht existent  (HENNING, 1997, S. 13), bis hin zu in sich die Möglichkeit zur Verwirklichung tragend  (CADOZ, 1998, S. 8) und möglich  (MÜNKER, 1997, S. 109). Nachdem eine derartig breite Palette an Definitionen zur Verfügung steht, kann der virtuelle Raum im Extremfall als alles oder nichts ausgelegt werden. An dieser Stelle scheint es deswegen vonnöten zu sein, eine eigene Darlegung des Begriffs vorzunehmen.
Im ursprünglichen Sinn stellte man sich unter der virtuellen Realität eine computergenerierte Simulation vor, die dem Menschen den Eindruck vermitteln sollte, sich in der erzeugten Realität wie in der physischen Welt bewegen zu können. Das Ziel war, einen möglichst hohen Immersionsgrad  zu erreichen, das bedeutet, den Grad, in dem sich der Mensch physisch und psychisch in die Simulation eingebunden fühlt, zu erhöhen (CADOZ, 1998, S. 9ff.). Durch dem Terminus virtueller Raum  wird betont, dass sich die Simulation einer Wiedergabe der optischen Strukturen realer Räume bedient. Mit zunehmender Verbesserung der technischen Ausstattung wurde es möglich, der visuellen Simulation weitere sensorische Reize hinzuzufügen. Die Forschungen dieses Wissenschaftszweiges konzentrieren sich auf die Entwicklung technischer Geräte wie Datenhelme, Datenhandschuhe oder Datenanzüge, mit deren Hilfe sowohl die Übertragung der menschlichen Aktionen auf den virtuellen Raum möglich wird, als auch die Impulse des virtuellen Raumes an den Menschen weitergeleitet werden können. Dieser Begriff der virtuellen Realität basiert also vorwiegend auf technischen Faktoren und konzentriert sich auf die Entwicklung praxisbezogener Anwendungen, wie zum Beispiel virtuelle Einkaufszentren, virtuelle Modelle für die Produktentwicklung oder architektonische Planung von Gebäuden, aber auch auf abstrakte Aufgaben, wie die Visualisierung von Betriebsabläufen (HENNING, 1997, S. 44ff.). In der Kulturgeographie finden virtuelle Modelle unter anderem in der Stadtplanung Anwendung, wo man zum Beispiel sanierungsbedürftige Gebäudekomplexe am Computer nachbildet, um am Modell architektonische Varianten zu erproben, bzw. um einen Gesamteindruck des sanierten Objekts in seiner bestehenden Umgebung zu erlangen. Vor allem die leichte Modifizierbarkeit des Computermodells stellt im Vergleich zu einem materiellen Modell eine Arbeitserleichterung dar und gibt den Planern mehr Spielraum für Variationen (BRENNER/HAALA, 1999). In diesem Sinne kann die virtuelle Realität tatsächlich im Sinne der oben genannten Definitionen nach Cadoz als die Möglichkeit der Verwirklichung in sich tragend  bezeichnet werden.
Neben dieser anwendungsorientierten Auffassung der virtuellen Realität bildet sich im Bezug auf das Internet eine neue Prägung des Begriffs heraus. Wenn das Internet als virtuelle Realität bezeichnet wird, gründet sich dies auf die Tatsache, dass das Medium weitgehend auf Computergenerierung basiert, das heißt, dass weite Teile nicht im klassischen Sinn als physisch existent bezeichnet werden können. Die virtuelle Realität des Internet verfolgt nicht den Zweck, die Wirklichkeit möglichst detailgetreu wiederzugeben, sondern bezieht sich in diesem Kontext auf die Verlagerung physischer Aktionen in einen datenbasierten Raum. Der Begriff virtuell  betont demgemäß nicht den Aspekt der möglichen Verwirklichung, sondern die Tatsache, dass etwas nicht im klassischen Sinn als physisch bezeichnet werden kann. Diese Verlagerung führt allerdings nicht etwa in die Metaphysik oder zu einer Abkehr von der Realität, sondern in eine Art Transphysik, die sich auf einer Ebene mit dem Physischen befindet und mit selbigem in Wechselbeziehung stehen kann. Nur wenn der virtuelle Raum keine Verbindung zum physischen Raum besitzt, kann er als rein   virtueller Raum bezeichnet werden. Ein rein virtueller Raum kann in der Praxis jedoch kaum existieren, da Computeranwendungen, wie die Dienste des Internet, durch ihren menschlichen Benutzer immer mit der physischen Welt verbunden sind.
Eine Bedingung für die Existenz des Internet ist das Vorhandensein von Übertragungsmedien wie Datenleitungen, Satelliten oder Funkverbindungen, die eine weitere physisch-räumliche Komponente darstellen. Generell gilt zu bedenken, dass jegliche Aktion im Internet an menschliche Handlungen geknüpft ist und Konsequenzen für die physische Welt haben kann. Man denke an eine Online-Bestellung: Der Vorgang der Bestellung an sich kann ohne die Bewegung physischer Materialien vollzogen werden, der Prozess, der dadurch initialisiert wird (Artikel aus dem Lager holen, Verpacken, Verschicken), läuft trotzdem weitgehend in der physischen Welt ab. Deswegen kann festgestellt werden, dass es sich bei der virtuellen Realität des Internet keinesfalls um eine Fiktion handelt, sondern dass sie über den Mensch als Akteur und der zugrundeliegenden physischen Infrastruktur in Wechselbeziehung mit dem physischen Raum steht und damit real ist.
Wenden wir uns der Frage zu, was das charakteristisch räumliche  am virtuellen Raum ist. In der Literatur finden sich hierzu nur wenig Erklärungen. Wie selbstverständlich wird über die weltweite Vernetzung in räumlichen Metaphern gesprochen. Saskia Sassen nennt ihn den elektronischen Raum, ein Ort, der durch Machtverteilung charakterisiert ist, durch die Abwesenheit von Hierarchie  (SASSEN, 1997, S. 215). Florian Rötzer stellt den virtuellen Raum in eine Reihe mit dem Erdraum und dem Weltraum, indem er den Aufbruch in den Cyberspace als eine Fortsetzung der amerikanischen territorialen Expansionsbestrebungen sieht (RÖTZER, 1997, S. 370f.). Martin Dodge und Narushige Shiode bestimmen den Raum des Internet durch die Lokalisierung der IP-Adressen im physischen Raum (DODGE/SHIODE, 2000, S. 44f.). Dies scheint im Kern jedoch noch immer nicht die Verwendung der Raummetapher zu erklären. Greifen wir noch einmal die Vorstellung Rötzers auf, den virtuellen Raum des Internet als Fortsetzung des Erdraumes und des Weltraumes zu betrachten. Das Bindeglied für alle drei Räume stellen in diesem Fall menschliche Handlungen und Verhaltensweisen dar, die von einem Raum zum nächsten scheinbar nahtlos ineinander übergehen können. Der Raum wird somit durch menschliches Handeln existent und im Kantschen Sinne zu einer Vorbedingung für die Wahrnehmung menschlichen Handelns.
Da der Mensch auf einer grundlegenden Ebene in den Kategorien von Raum und Zeit denkt, versucht er, seine Umgebung so zu gestalten, dass sie durch dieses Schema erfassbar wird. In diesem Sinne ist auch die Verräumlichung  des Internet zu sehen: Weil der Raum in der physischen Welt zusammen mit der Zeit ein Bezugssystem für die menschliche Wahrnehmung geworden ist, versucht man der Einfachheit halber auch das Internet als etwas Räumliches darzustellen. Dieses Prinzip schlägt sich in der Entwicklung graphischer Benutzeroberflächen für den Computer nieder: Die Steuerung einst ausschließlich textbasierter Programme wurde weitgehend durch selbsterklärende graphische Symbole ersetzt. Der Benutzer sollte so nicht mehr gezwungen sein, Befehle eines Programmes auswendig zu lernen, sondern rein intuitiv von der Bildsymbolik auf die Funktion schließen können. Auch das Internet erlangte durch die Darstellungsmöglichkeiten des World Wide Web neue Potenziale, um den Zugang zu den weltweiten Informationen zu vereinfachen: Zum einen nahm der multimediale Charakter dem Internet einen Teil seines bisher abstrakten Wesens, zum anderen verstärkten die Sprungadressen den Eindruck des Netzcharakters, wodurch ein gezieltes Navigieren möglich wurde. Mit dem Sprung von einem Link zum anderen wurde die Bewegung im physischen Raum assoziiert und der Schluss lag nahe, dort wo Bewegung sei, müsse es auch einen Raum geben. Das Internet ist zum metaphorischen Raum geworden, um dem Menschen das Verständnis und den Zugang zu einem primär abstrakten Gebilde zu vereinfachen. Mittlerweile wird der räumliche Charakter durch eine Vielzahl von Anwendungen im WWW noch verstärkt, die tatsächlich Räumlichkeit nachbilden. Es existieren graphisch gestaltete Chatwelten, die aus einzelnen Chaträumen bestehen, durch die man sich mit einem Avatar, einer Art steuerbare Comicfigur, von der man im Chatraum repräsentiert wird, bewegen kann. Eine Variante sind 3D-Modelle von Städten ( Virtual Cities), die sich darauf konzentrieren, den optischen Eindruck einer Stadt wiederzugeben. Sie werden häufig als Werbeflächen für kommerzielle Angebote genutzt.
Wenn also der Eindruck der Räumlichkeit dem Menschen als Orientierungshilfe in einem abstrakten System dient, kann es zu einem neuen Aufgabenfeld der Kulturgeographie werden, die Mechanismen dieses Phänomens zu untersuchen. Im Prinzip greift diese Tätigkeit auf die Wurzeln der Geographie zurück, ging es doch in der frühen Erdbeschreibung ebenfalls darum, bisher Unbekanntes zu erforschen, Strukturen zu erfassen und damit dritten Personen den Zugang zu diesem Raum und eine Orientierung in ihm zu ermöglichen. Damit eröffnet sich der Kulturgeographie die Kooperation mit einer weiteren Nachbarwissenschaft, die sich aus einer Vielzahl von Einflüssen anderer Disziplinen zusammensetzt: das Wissens- oder Informationsmanagement. Bereits jetzt gibt es Konzepte sogenannter Informationsräume oder Informationslandschaften, die im Zusammenhang mit der Gestaltung der Schnittstelle Mensch-Computer erforscht werden. Das Mapping stellt dabei eine Sonderform der Visualisierung dar, denn es benutzt die klassischen Funktionen einer digitalen Landkarte. Der Grundgedanke des Mapping wird wie folgt definiert:
Mapdisplays resultieren aus der Idee, die visuelle Metapher einer geographischen Karte auf den Informationsraum anzuwenden. Eine geographische Karte ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie grafische Displays eingesetzt werden können, um eine große Anzahl von Informationen und deren Relationen zu veranschaulichen.
(DÄSSLER/PALM, 1998, S. 51)
Ein Anwendungsgebiet der Visualisierung von Informationen sehen die Autoren unter anderem in der Strukturierung der Inhalte des Internet. Ein neuer Ansatz der Geographie kann in diesem Bereich, ähnlich wie in der klassischen Raumplanung, die Funktion übernehmen, aktiv an der Gestaltung des Raumes (in diesem Fall des virtuellen) mitzuwirken. Als Grundlage könnten die Studien des Mental Mapping genutzt werden, um anhand dieser Ergebnisse das Orientierungsverhalten des Menschen im physischen Raum zu analysieren und die Anwendbarkeit dieser Muster auf den virtuellen Raum zu untersuchen. Damit ist aber bereits ein sehr abstrakter und von den bisherigen Inhalten weit entfernter Bereich angesprochen, der sich der Kulturgeographie erschließen könnte. Denkbar sind weitaus naheliegendere Inhalte, die im Folgenden in einer ersten Übersicht dargestellt werden. Die Konkretisierung der Forschungsinhalte wird in den nächsten beiden Kapiteln anhand ausgewählter Beispiele vorgenommen.
Wie Abbildung 3.1 zeigt, bewegen sich die Themengebiete der Kulturgeographie des Internet zwischen den beiden Polen physischer und virtueller Raum. Innerhalb der Gruppe der neuen Themenbereiche steht die Analyse der physischen Infrastruktur des Internet dem physischen Raum am nächsten. Dieser Aspekt ist auch für weitergehende Fragestellungen von elementarer Bedeutung, da das Vorhandensein einer Datenübertragungsmöglichkeit jeglicher Nutzung des Internet vorausgeht. Verbreitungsanalysen der Infrastruktur sind sowohl auf lokaler, als auch auf globaler Ebene relevant und ermöglichen erste Aussagen über Zugangsdisparitäten und ihre räumliche Verbreitung.

Teilbereiche kulturgeographischer Untersuchung des Internet

Abbildung 3.1 Teilbereiche der kulturgeographischen Untersuchung des Internet (eigene Darstellung).

In der Weiterführung dieses Ansatzes können die Datenströme untersucht werden, die durch die Nutzung der im ersten Schritt untersuchten Infrastruktur entstehen. Als Ergebnis kann eine Art Verkehrsbericht  (auch als Wetterbericht  des Internet bezeichnet) für das Datenaufkommen und die Auslastung der vorhandenen Ressourcen erstellt und damit Zeiten und Knotenpunkte mit erhöhtem Datenverkehr ermittelt werden. Da lange Übertragungszeiten und geringe Übertragungsbandbreiten noch immer als limitierender Faktor für eine intensivere Nutzung des Internet angeführt werden, kann dieser Analyseansatz zur effizienteren Gestaltung der Infrastruktur beitragen. Im Zentrum der ersten beiden vorgestellten Themenkomplexe steht also die Frage, wie das momentane Verhältnis von vorhandener Infrastruktur und dem realen Bedarf aussieht.
Wenn man in den Übergangsbereich zwischen physischem und virtuellem Raum eintritt, so ist gemeint, dass nicht mehr nur physische Aspekte der Datenübertragung betrachtet werden, sondern die übertragenen Inhalte eine Rolle spielen. Der Bezug zu den traditionellen kulturgeographischen Inhalten ist in diesem Bereich am ehesten herzustellen, indem die Einflüsse des Internet auf die klassischen Forschungsbereiche dargestellt werden. Der Charakter des Internet bedingt es, dass Veränderungen in einzelnen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialgeographie stärker hervortreten. Die Internetnutzung ist dennoch mittlerweile so vielfältig, dass fast für alle Themenkomplexe eine Einflussnahme festgestellt werden kann. Man würde das Internet zum Beispiel nicht primär mit der Geographie des ländlichen Raumes in Verbindung bringen. Es gibt dennoch Ansätze, die der Frage nachgehen, wie das Internet das Verhältnis Stadt-Land beeinflusst, ob der fehlende Ausbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes zu einem weiteren Nachteil für den ländlichen Raum wird und ob das Internet dazu beitragen kann, dessen Bedeutung durch Zugang zu Bildungs-, Verwaltungs- und Versorgungsressourcen wieder aufzuwerten (SMITH/KOLLOCK, 1999, S. 265ff.).
Bleibt als dritter Bereich der ausschließlich virtuelle Raum. Wie bereits festgestellt wurde, existiert der rein virtuelle Raum nur dort, wo der Mensch nicht durch seine physische Existenz mit dem physischen Raum verbunden ist. Da diese Bedingung kaum zu erfüllen ist, kommt die Analyse des rein virtuellen Raumes für das hier angestrebte Ziel nur eingeschränkt in Betracht. Einen ersten Ansatz, bei dem der Mensch nicht unmittelbares Element des virtuellen Raumes ist und damit die genannte Bedingung in den Hintergrund tritt, stellt das Konzept des räumlich orientierten Informationsmanagements dar. Hier entsteht ein zwar an menschlichen Bedürfnissen orientierter, aber dennoch von den physischen Bedingungen weitgehend unabhängiger Raum mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Inwiefern dieser Bereich in das Aufgabengebiet der Kulturgeographie fällt, soll im letzten Kapitel analysiert werden.
Im nun folgenden Teil werden die eben vorgestellten Arbeitsbereiche der kulturgeographischen Beschäftigung mit dem Internet detailliert behandelt. Dabei sollen sowohl bereits vorhande Forschungsansätze und Methoden, als auch bisher noch nicht im wissenschaftlichen Rahmen behandelte Ansätze erläutert werden.

Magisterarbeit SS 2000, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Geographie,
©  Inga Heinze 2000